Weidmann gibt sich entspannt
ms Frankfurt
Bundesbankpräsident Jens Weidmann betrachtet den jüngsten starken Anstieg der Euro-Staatsanleiherenditen noch nicht als großen Grund zur Sorge. Trotz des Renditeanstiegs sehe er bislang „keine durchgreifende Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen“, sagte er am Mittwoch bei der Vorstellung des Bundesbank-Jahresabschlusses 2020: „Die Finanzierungsbedingungen sind im historischen Vergleich weiter sehr günstig.“ Für den Inflationsausblick sei der Anstieg bislang noch „nicht so bedeutend“.
Mit seinen Aussagen tritt Weidmann in der Debatte unter den Euro-Notenbankern über verstärkte Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) als Reaktion auf den Renditeanstieg auf die Bremse. Zuletzt hatten sich täglich Euro-Notenbanker immer besorgter wegen der möglichen negativen Folgen für die Wirtschaft gezeigt und mit einer geldpolitischen Reaktion geliebäugelt. Am Dienstag hatte EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta sogar eine Aufstockung des 1,85-Bill.-Euro-Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP als mögliche Option genannt.
Die langfristigen Euro-Renditen sind in den vergangenen Wochen deutlich angestiegen. Gründe sind verbesserte Wachstumsaussichten und die anziehende Inflation. Dieser Anstieg steht aber dem Ziel der EZB entgegen, in der Coronakrise die Finanzierungskonditionen für die Wirtschaft günstig zu halten. Daraufhin hatte sich auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde zu Wort gemeldet. Am Donnerstag nächster Woche tagt der EZB-Rat. Eine Option wäre, dass das Eurosystem innerhalb des aktuellen PEPP-Rahmens mehr Tempo bei den Käufen macht. Diese Flexibilität ist explizit vorgesehen. Eine andere, weitreichendere Option wäre eine PEPP-Aufstockung.
Am Mittwoch berichtete Bloomberg unter Berufung auf Insider, dass die EZB nicht mit drastischen Maßnahmen gegen den Renditeanstieg vorgehen wolle. Für das Handhaben der wirtschaftlichen Auswirkungen reichten verbale Interventionen aus, so die Insider. Zudem könne die Flexibilität von PEPP genutzt werden, ohne dass das Gesamtvolumen des Programms erhöht werden müsse.
Weidmann sagte nun, dass die EZB die Renditeentwicklung genau beobachten müsse. Dabei sei aber ein „ganzheitlicher Ansatz“ nötig. Es gehe um die Finanzierungskonditionen für Unternehmen, Privathaushalte und Staaten und nicht um eine einzelne Größe wie die Staatsanleiherenditen. Zudem gehe es am Ende stets um die Folgen für die Inflation.
Es sei auch nicht jeder Renditeanstieg ein geldpolitisches Problem. Anziehende Inflationserwartungen etwa seien durchaus erwünscht. „Ich würde dazu tendieren zu argumentieren, dass die Größe der Bewegungen nicht derart ist, dass sie eine besonders besorgniserregende Entwicklung darstellen“, sagte Weidmann am Mittwoch in einem Interview mit Bloomberg TV.
Zugleich betonte Weidmann aber, dass die EZB notfalls die nötigen Mittel und den Willen hätte, um gegenzusteuern: „Wir sind bereit, die Volumina der PEPP-Ankäufe anzupassen. Das PEPP hat eine eingebaute Flexibilität, damit wir auf eine unangemessene Straffung der Finanzierungsbedingungen reagieren können.“
EZB-Vizepräsident Luis de Guindos sagte am Mittwoch bei einem Berenberg-Webinar, dass die Renditen von sehr niedrigen Niveaus aus gestiegen seien und „die Situation sehr ruhig ist“, wenn man die Spreads zwischen verschiedenen Euro-Ländern betrachte. Am Dienstag hatte er noch besorgter geklungen.