Weitere Frist für Einigung in Nordirland endet
hip London
Eine weitere Frist für die Wiederherstellung einer arbeitsfähigen nordirischen Regionalregierung ist ergebnislos verstrichen. Nach geltendem Recht müsste der britische Nordirland-Minister Chris Heaton-Harris Neuwahlen ansetzen. Der 13. April wäre dafür der späteste Termin. Er könnte die Frist aber auch erneut verlängern. Bereits im November vergangenen Jahres hatte er sich dafür entschieden. Denn weder an dem zugrunde liegenden Konflikt noch an den Mehrheitsverhältnissen hat sich etwas geändert.
Im Februar vergangenen Jahres war Paul Givan von der Democratic Unionist Party (DUP) aus Protest gegen das Nordirland-Protokoll der EU-Austrittsvereinbarung als First Minister zurückgetreten. Bei den Regionalwahlen im Mai wurde die DUP erstmals nicht stärkste Partei. Die Nationalisten von Sinn Féin überrundeten die Unionisten. Die DUP verhinderte die Wahl eines Speakers für das nordirische Parlament in Stormont. Deshalb konnte die Volksvertretung ihre Arbeit bislang nicht aufnehmen. Wichtige Themen wie die Reform des Adoptionsrechts, Reformen im Gesundheitswesen und in der Pflege bleiben liegen.
Die politischen Institutionen in Ulster wurden durch das Karfreitagsabkommen geschaffen, das vor einem Vierteljahrhundert den nordirischen Bürgerkrieg beendete. Es sah eine Teilung der Macht zwischen den beiden verfeindeten Lagern vor. An der Spitze der Regierung stehen First Minister und Deputy First Minister. Einer von ihnen gehört stets dem nationalistischen, einer dem unionistischen Lager an. Beide sind gleichberechtigt. Einer kann ohne den anderen nicht im Amt sein. Die DUP weigert sich bislang, einen Deputy First Minister zu stellen. Deshalb kann Michelle O’Neill, die Führerin von Sinn Féin, den Wahlsieg bislang noch nicht auskosten. Die Regionalregierung ist handlungsunfähig.
Er werde „alle Optionen sorgfältig prüfen“ und mit allen Parteien sprechen, bevor er eine Entscheidung treffe, sagte Heaton-Harris. Er hoffe auf einen Durchbruch bei den Gesprächen zwischen London und Brüssel zum Handel über die Irische See. „Wenn wir ein Problem lösen können, können wir vielleicht auch das andere lösen“, sagte er.
Das Nordirland-Protokoll sollte eine harte Grenze quer durch die Grüne Insel verhindern. Stattdessen entstand eine Zollgrenze durch das Vereinigte Königreich – auf dem Grund der Irischen See. Nordirland ist zwar formaljuristisch mit Großbritannien aus der EU ausgetreten, aber praktisch weiterhin Teil von Zollunion und Gemeinsamem Markt. Bislang sind alle Bemühungen gescheitert, sich auf einen gemeinsamen Umgang mit den daraus resultierenden Schwierigkeiten zu einigen. Die nordirischen Parteien waren am Entscheidungsprozess gar nicht erst beteiligt. „So wie der Brexit Nordirland ohne die Unterstützung beider Lager aufgezwungen wurde, wurde auch das Protokoll Nordirland ohne die Unterstützung beider Lager aufgezwungen“, sagte der irische Premierminister Leo Varadkar in Davos. Er verstehe, warum Unionisten dächten, es habe die Union geschwächt.