WTO-Prognose

Welthandel dümpelt vor sich hin

Die WTO erwartet für das kommende Jahr weniger Wachstum im Welthandel, blickt dafür aber etwas optimistischer auf das laufende. Als Bremsklotz erweist sich derzeit der Westen.

Welthandel dümpelt vor sich hin

Welthandel dümpelt vor sich hin

Erholung fällt 2025 laut WTO schwächer aus – Geopolitik bedroht Wirtschaftswachstum

mpi Frankfurt

Der Welthandel kommt nicht richtig in Fahrt – auch mittelfristig nicht. Die Welthandelsorganisation (WTO) revidiert ihre bisherige Prognose für das Wachstum des globalen Warenhandels im kommenden Jahr von 3,3 auf 3,0% nach unten. Während der Handel in Asien etwas besser laufen dürfte als noch im April vermutet, ist es vor allem Europa, dessen derzeitige wirtschaftliche Schwäche den Welthandel nach unten zieht.

Dennoch passt die WTO ihre Prognose für das laufende Jahr von 2,6 auf 2,7% an. Einen großen Anteil daran hat der Handel mit Dienstleistungen. Zwischen Januar und März 2024 – dem jüngsten Quartal, für das bereits Daten vorliegen – legte der Wert der global gehandelten Dienstleistungen um 8% im Vergleich zur Vorjahresperiode zu. Wachstumstreiber sind hierbei digitale Services. Sie machen inzwischen bereits mehr als die Hälfte der weltweit gehandelten Dienstleistungen aus. Unter Berücksichtigung von allen Gütern liegt der Anteil der digitalen Services am Welthandel immerhin bereits bei fast 14%.

Abwärtsrisiken für die Prognose

Trotz des Aufschwungs im Handel mit Dienstleistungen betont die WTO, dass es nicht unwahrscheinlich ist, dass sich der Welthandel 2025 schlechter entwickelt als derzeit prognostiziert. Geopolitische Spannungen und politische Unsicherheit seien Abwärtsrisiken. So könne eine weitere Eskalation des Konflikts im Nahen Osten die Schifffahrt beeinträchtigen und zu einem Anstieg der Energiepreise führen, angesichts der Bedeutung der Region für die Erdölproduktion.

Darüber hinaus stellt die WTO eine zunehmende Politisierung im Welthandel, auch Fragmentierung genannt, fest. Schätzungen zufolge ist seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine der Handel zwischen Ländern mit ähnlichen politischen Ansichten um 4% stärker gewachsen als zwischen Ländern, die unterschiedliche Auffassungen haben. Diese Fragmentierung beziehe sich bislang aber hauptsächlich auf Produkte, die wenig komplex sind, weswegen es mehr alternative Lieferanten gibt.

Hoffnung ruht auf Geldpolitik

Besser als die Prognose könnte sich der Welthandel hingegen entwickeln, falls die globale Lockerung der Geldpolitik einen größeren positiven Effekt auf die Realwirtschaft hat als angenommen. Sorgen um die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone könnten etwa die EZB dazu veranlassen, bei der Zinswende ein größeres Tempo einzuschlagen. Ein Großteil der Analysten geht inzwischen davon aus, dass die Notenbank bereits in der kommenden Woche ein weiteres Mal die Geldpolitik lockert.

Vor allem für die ohnehin schon schwächelnde deutsche Volkswirtschaft ist der schleppende Welthandel keine gute Nachricht. Viele Unternehmen hierzulande haben ihr Geschäftsmodell auf den Außenhandel ausgerichtet. Weniger Welthandel trifft daher überproportional deutsche Firmen. Dazu kommen in Deutschland noch strukturelle Probleme sowie andere Konjunkturfaktoren – wie der private Konsum und der Binnenhandel –, die nicht in Schwung kommen. Daher zählt die WTO Deutschland auch zu den Sorgenkindern der globalen Konjunktur.

Sorgenkinder Deutschland und Argentinien

Das zweite Sorgenkind ist Argentinien, dessen staatliches Sparprogramm, um die ausufernde Inflation einzudämmen, die Wirtschaft in eine tiefe Rezession gestützt hat. Im zweiten Quartal ist die Produktion dort auf Jahresbasis um 4,8% gesunken, nach einem Rückgang von 8,4% zum Jahresauftakt. Im Gegenzug ist die jährliche Inflationsrate von ihrem Höhepunkt bei rund 290% auf 237% gefallen.

Für das globale Wirtschaftswachstum erwartet die WTO in diesem und im kommenden Jahr ein konstantes Wachstum von 2,7%. Im Vergleich zur vorherigen Prognose aus dem April bedeutet das eine Anpassung um 0,1 Prozentpunkte nach oben für das laufende Jahr. Europa verhindert eine noch stärkere Revision. Mit 1,1% dürfte der Kontinent laut WTO die am wenigsten wachsende Region der Welt in 2024 sein – nicht zuletzt wegen Deutschland.

Die WTO erwartet für das kommende Jahr weniger Wachstum im Welthandel, blickt dafür aber etwas optimistischer auf das laufende. Als Bremsklotz erweist sich derzeit der Westen. Zudem könnten geopolitische Risiken die wirtschaftliche Entwicklung weiter hemmen. Hoffnungen ruhen dagegen auf der Geldpolitik.

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