WTO-Ministerkonferenz

Welthandelsorganisation zieht die Notbremse

Reisebeschränkungen wegen der Omikron-Mutante des Coronavirus zwingen die WTO, ihr mit großen Erwartungen verbundenes Gipfeltreffen in letzter Minute zu verschieben. Wichtige Vorhaben verzögern sich weiter.

Welthandelsorganisation zieht die Notbremse

rec Frankfurt

Angesichts der abermaligen Verschiebung des WTO-Gipfels in Genf drohen sich existenzielle Vorhaben zu den globalen Handelsregeln und zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie weiter zu verzögern. Die Ausbreitung der als besonders gefährlich eingestuften Omikron-Mutante des Coronavirus hat die Welthandelsorganisation (WTO) gezwungen, ihre für diese Woche geplante Ministerkonferenz in Genf in letzter Minute für unbestimmte Zeit zu verschieben. Als Grund führte die 164 Mitgliedstaaten zählende Organisation neue Reisebeschränkungen an, die die Schweiz und mehrere EU-Staaten verhängt haben. Diese hätten es Teilnehmern aus etlichen afrikanischen Staaten de facto unmöglich gemacht, an der Konferenz teilzunehmen.

Die Ministerkonferenz, zu der hochrangige Regierungsvertreter aus sämtlichen Mitgliedstaaten am WTO-Sitz in Genf erwartet wurden, ist das wichtigste Entscheidungsgremium der Welthandelsorganisation. Sie findet eigentlich alle zwei Jahre statt und musste wegen der Corona-Pandemie schon einmal verschoben werden. Ursprünglich sollte die 12. Auflage der Konferenz vor anderthalb Jahren in Nur-Sultan, der Hauptstadt Kasachstans, ausgetragen werden. Ein neuer Termin zeichnete sich zu Wochenbeginn nicht ab.

Die abermalige Absage ist ein Rückschlag für die WTO, die sich in der schwersten Krise ihres 25-jährigen Bestehens befindet. Wirtschaftsverbände hatten im Vorfeld große Erwartungen in die Beratungen der Handelsminister aus allen Teilen der Welt gesetzt. Diese wollten von Dienstag bis Freitag über eine Reihe drängender Themen verhandeln.

Als besonders dringlich gilt die Kompromisssuche im Streit über eine fairere Verteilung von Impfstoffen gegen das Coronavirus. Seit nunmehr einem Jahr ziehen sich Beratungen über das von Indien und Südafrika angestoßene Vorhaben hin, den Patentschutz für Corona-Impfstoffe für die Dauer der Pandemie auszusetzen. Gegner der Patentfreigabe, allen voran die EU-Kommission und die scheidende deutsche Bundesregierung, treten für eine weniger weitreichende Lösung mittels Zwangslizenzen ein. Ausgerechnet Vertreter aus Südafrika, wo die Omikron-Mutante des Coronavirus entdeckt worden ist, hätten wegen der Reisebeschränkungen nun nicht nach Genf reisen und persönlich an den Verhandlungen teilnehmen können.

Andere wichtige Vorhaben sind der Abbau von Fischerei-Subventionen und Reformen der WTO, allen voran in der Streitbeilegung. Seit mehr als zwei Jahrzehnten verhandeln die WTO-Mitglieder über strengere Regeln, um die Überfischung der Weltmeere einzudämmen. Vor wenigen Tagen hatten sich die Unterhändler auf den Entwurf eines entsprechenden Abkommens geeinigt, wie es hieß. Es ist eines der wenigen Felder, auf denen ein Durchbruch im Rahmen der 12. Ministerkonferenz bis zur kurzfristigen Absage zumindest denkbar schien. Anders verhält es sich mit dem Streitbeilegungsmechanismus, dem Herzstück der WTO: Nach wie vor blockieren die USA die Nachbesetzung von Richterstellen für das Berufungsgremium. Deshalb ist das WTO-Schiedsgericht seit zwei Jahren de facto lahmgelegt.