Gastbeitrag:Bitcoin-Reserve

Werden Zentralbanken zu Spekulanten?

Die USA erwägen eine staatliche strategische Bitcoin-Reserve. In Deutschland bringt Christian Lindner dies für EZB und Bundesbank ins Spiel. Eine Umsetzung wäre jedoch ein Fehler.

Werden Zentralbanken zu Spekulanten?

Bitcoinreserven: Werden Zentralbanken zu Spekulanten?

Der Bitcoin (BTC) erlebt gerade einen Höhenflug. Angetrieben von einer positiven Haltung von US-Präsident Donald Trump zu Kryptowährungen, aber auch anderen Entwicklungen wie etwa einem Gesetzesentwurf der Senatorin Cynthia Lummis im US-Kongress Ende Juli 2024 zum Aufbau einer strategischen BTC-Staatsreserve, erreichte der BTC am 20. Januar seinen bisherigen Höchstpreis von über 109.000 Dollar. Zudem fordert die EU-Parlamentarierin Sarah Knafo eine strategische BTC-Reserve für die EU. In der Schweiz läuft eine Volksinitiative, die für die Schweizerische Notenbank SNB die Aufnahme von BTC als Reservewährung fordert. In Tschechien denkt der Gouverneur der Nationalbank, Ales Michl, ebenfalls über eine Anlage in BTC nach. Und auch in Deutschland wird die Diskussion durch einen Vorschlag des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner bzgl. der Bundesbank und der EZB befeuert.

Doch ist die Kryptowährung als Anlage für staatliche Institutionen überhaupt geeignet? Ein wichtiger Punkt hierbei: Erfüllen BTC die Aufgaben, die Geld zugesprochen werden – die Funktionen als Zahlungsmittel und Recheneinheit sowie der Wertaufbewahrung? Zunächst einmal ist der BTC keine Währung im Sinne eines staatlichen Geldes. Er wird staatenlos von privaten Minern durch Anwendung eines mathematischen Algorithmus geschöpft. Die BTC-Geldmenge ist auf maximal 21 Mill. BTC begrenzt. Derzeit existieren bereits fast 20. Mill. mit einer Marktkapitalisierung von ca. 2 Bill. Dollar, wobei Verluste durch verlorene Codes der BTC-Geldbörsen (Wallets) nicht ersetzt werden.

Kein innerer Wert bei Bitcoin

Dies soll die Knappheit sicherstellen. Doch Knappheit setzt eine Nachfrage und einen dahinterstehenden Bedarf voraus. Dieser ist jedoch keinesfalls sicher. Denn dem BTC fehlt ein innerer Wert, wie ihn Gold auszeichnet. Außerdem gibt es keinen staatlichen Akteur (Zentralbank), der den Wert einer ungedeckten Währung steuern kann. Vielmehr entsteht die Nachfrage nach BTC aus der stillschweigenden Übereinkunft (potenzieller) BTC-Halter, dass der Wert – gemessen in anderen Währungen – erhalten bleibt.

Dirk Meyer ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg. Zu seinen Schwerpunkten zählen unter anderem Ordnungspolitik, Wettbewerbspolitik, und die Europäische Währungsunion. (Foto: Helmut-Schmidt-Universität)

Dieses Vertrauen kann jedoch jederzeit durch kriminelle Vorkommnisse (Diebstahl), staatliche Verbote aufgrund der Verwendung für illegale Geschäfte einschließlich Geldwäsche oder den Wettbewerb anderer Kryptowährungen kurzfristig zerstört werden. Entsprechend hoch sind die Kursschwankungen. So stieg der BTC-Kurs 2020/2021 um 830%, um im folgenden halben Jahr 75% des Wertes zu verlieren. Hinzu kommt die Marktenge, die Kursmanipulationen erleichtert. Großvolumige Käufe/Verkäufe staatlicher Akteure würden zu Kurssprüngen führen. So bewirkte allein die kürzliche Ankündigung des US-Justizministeriums, die 2013 beschlagnahmten 69.370 BTC im Wert von 6,5 Mrd. Dollar verkaufen zu wollen, einen Kurssturz von ca. 10%. Eine verlässliche Wertaufbewahrung sieht anders aus.

Kein realwirtschaftlicher Nutzen

Zahlungen in Bitcoin sind zudem systembedingt umständlich, langsam und teuer. Je nach Netzauslastung kostet eine Überweisung zwischen 1 bis 2 Dollar. Eng damit verknüpft ist die Geschwindigkeit, bis eine Überweisung ausgeführt und bestätigt ist. Die Zeitspanne reicht von Minuten bis hin zu mehreren Stunden. Damit werden die Zahlungsmittelfunktion und die allgemeine Verwendung erheblich eingeschränkt. Schließlich führt der derzeit hohe Preis des BTC (besser: Wechselkurs zum Euro bzw. Dollar) zu Einheiten, die als Rechengröße für Waren völlig ungeeignet sind. So würde der Liter Milch zu 1,35 Euro für 0,0000135855557164 BTC zu haben sein. Im Ergebnis ist Bitcoin kein Geld, da er die wesentlichen Geldfunktionen nicht erfüllt. Er ist vornehmlich ein Spekulationsobjekt, eine Wette. In Anlehnung an Joachim Nagel, Präsident der Bundesbank, könnte man auch von einer „Gänsehaut-Währung“ sprechen.

Damit wird deutlich, dass eine staatliche strategische BTC-Reserve entgegen den US-Plänen keinen Sinn ergibt. Im Gegensatz zu Öl, Gas, Kraftwerkskapazitäten oder Getreidevorräten stiften Bitcoin keinen realwirtschaftlichen Nutzen im Krisenfall. Auch ein Staatsfonds, bspw. ein „Rentenfonds Deutschland“, sollte keine BTC-Anlagen vornehmen, da das Risiko des Platzens der Spekulationsblase nicht unerheblich ist. Bereits die Staatsfonds der Öl-Staaten unterliegen durch ihre teils in Aktien angelegten Gelder größeren Schwankungen. Hinsichtlich der Bundesbank oder der EZB, die ihre Währungsreserven vornehmlich in Dollar, Yen, Renminbi sowie Gold und Sonderziehungsrechten anlegen, gelten die genannten Argumente gegen eine BTC-Währungsreserve ebenso.

Hinzu kommt, dass zur Wechselkurssteuerung des Euro eine hohe Liquidität (Marktnähe) der Reserven notwendig ist, um entsprechend schnell handeln zu können. Aufgrund der geringen Marktkapitalisierung des Bitcoin – es handelt sich um eine im Vergleich relativ kleine „Währung“ – würde der Kurs stark ausschlagen. Zentralbank-Interventionen mit dem Ziel, ihre Währung stabil zu halten, würden dadurch durchkreuzt. Hinzu kommen spezielle Anforderungen an eine Währungsreserve, darunter auch Sicherheitsanforderungen, die BTC-Anlagen kaum erfüllen können.

Gute Chancen

Der Ankauf von Bitcoin durch eine Notenbank könnte zudem Erwartungen erzeugen, dass sie im Falle eines Kurssturzes mit stabilisierenden Interventionen den BTC-Kurs stützen wird. Von daher erscheinen die – bislang nicht umgesetzten – Vorschläge einer BTC-Reserve als höchst suspekt und eher einer Förderung des Krypto-Ökosystems förderlich. Die Wetten zur Einführung einer staatlichen US-BTC-Reserve noch in diesem Jahr stehen gemäß der Wettplattform Polymarket mit derzeit 65% (Stand 19.01.2025) allerdings nicht schlecht. Unter dem Gesichtspunkt der Seriosität erscheint es jedoch als geboten, dass weder ein Staat noch dessen Notenbank sich einen solchen BTC-Ikarus ins Nest setzen sollte.

Dirk Meyer

Professor für Volkswirtschaftslehre an der Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg.