GastbeitragBürokratie

Wie die Verwaltung entbürokratisiert und zukunftsfähig wird

Die öffentliche Verwaltung in Deutschland steht vor gewaltigen Herausforderungen. Doch es gibt Lösungen. Wie eine moderne Verwaltung von morgen gestaltet werden kann – und was die neue Koalition jetzt dringend angehen muss.

Wie die Verwaltung entbürokratisiert und zukunftsfähig wird

Wie die Verwaltung entbürokratisiert und zukunftsfähig wird

Von Felix Dinnesen*

Über die unzureichende Handlungsfähigkeit des Staates und der öffentlichen Verwaltung wird aktuell viel diskutiert. Ob Planungsprozesse, Antrags- oder Genehmigungsverfahren: Der Staat scheint immer weniger in der Lage, seine Aufgaben effektiv und effizient erfüllen zu können. Seit Jahren nimmt die Regulierung in Deutschland zu. Mehr Bürokratie bedeutet mehr Aufwand für Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger sowie die Behörden selbst. Der neue Koalitionsvertrag hat das Thema jetzt aufgenommen.

Denn in der Bevölkerung, der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung selbst bestehen Zweifel an der Umsetzungsfähigkeit des Staates. Das zeigen die Ergebnisse einer Umfrage von Deloitte und der Universität Potsdam, wofür 10.000 Menschen in Deutschland sowie 2.000 Entscheider aus der Privatwirtschaft befragt und zudem Interviews mit Verwaltungsverantwortlichen geführt worden waren.

Vertrauen schwindet

Der Umfrage zufolge traut nur ein Fünftel der Bürgerinnen und Bürger der öffentlichen Verwaltung zu, sich selbst zu modernisieren. 81% empfinden die Administration als zu unflexibel, um sich neuen Rahmenbedingungen anzupassen. Eine Einschätzung, die die Privatwirtschaft teilt: 85% der Manager bewerten die Verwaltung als unzureichend flexibel. Erklärtes Ziel des Koalitionsvertrags ist eine Staatsmodernisierung, die nun auszugestalten ist.

Felix Dinnessen ist Partner bei Deloitte und Leiter des Geschäftsfelds zur Beratung des Öffentlichen Sektors.

Auch die Führungskräfte der Verwaltung selbst attestieren dem Staat eine abnehmende Fähigkeit, Ziele umzusetzen. Sie berichten in den Interviews von einer immer stärkeren Überlastung. Oftmals werden politische Ziele ambitioniert gesetzt, allerdings ohne die strukturelle und personelle Lage der Vollzugsebene zu berücksichtigen. Die Konsequenz: Bestimmte Aufgaben werden nicht mehr aktiv verfolgt, sondern verschwinden einfach aus dem Fokus. Hinzu kommen immer komplexere Herausforderungen, die strukturelle Defizite offenlegen – von schlecht vernetzten Behörden bis zu ineffizienter Zusammenarbeit mit externen Akteuren.

Digitalisierung als Hebel

Ein zentraler Ansatzpunkt für eine zukunftsfähige Verwaltung ist die Digitalisierung, die in den Koalitionsvorsätzen nun sogar ein eigenes Ministerium bekommt. Insofern ein durchaus zielführender Ansatz. Laut ifo Institut verliert Deutschland jährlich 96 Mrd. Euro an Wirtschaftsleistung durch fehlende Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung.

Moderne Technologie könnte die Behörden erheblich entlasten: Routineaufgaben ließen sich automatisieren, Entscheidungswege würden dann nicht nur schneller, sondern auch transparenter. Die deutsche Verwaltung hat beim Ausbau digitaler Dienste großen Aufholbedarf und sie hinkt dem EU-Durchschnitt hinterher. Das adressiert die neue Koalition durchaus; nun aber rückt die Umsetzung in den Fokus.

Neben Geschwindigkeit braucht es auch eine strategische Neuausrichtung. Strukturen und Prozesse, die sich über Jahrzehnte verfestigt haben, müssen umgestellt werden. Und wer Verfahren beschleunigen will, muss auch Gesetze praxistauglicher gestalten – etwa durch mehr Pauschalregelungen anstelle von aufwendigen Einzelfallprüfungen oder durch längere Übergangsfristen bei Gesetzesänderungen. Auch hier macht der Koalitionsvertrag Mut.

Ein entscheidender Erfolgsfaktor für die Digitalisierung ist die Vernetzung innerhalb der Verwaltung. Hier kann der Ansatz „Government as a Platform“ ein Lösungsweg sein: Gemeinsame digitale Infrastrukturen und Schnittstellen sorgen für einen schnellen Datenaustausch und vermeiden Doppelstrukturen. Zudem kann eine effizientere Vernetzung verschiedener Verwaltungsebenen und externer Akteure Abläufe verschlanken.

Vernetzung entscheidend

Automatisierung, Künstliche Intelligenz und Cloud-Technologien können Prozesse unterstützen. Aber ohne strukturelle Reformen besteht daher gleichwohl die Gefahr, dass analoge Ineffizienzen einfach in die digitale Welt übertragen werden.

Rechtsnormen müssen digitaltauglich gestaltet werden, um eine reibungslose Umsetzung zu ermöglichen. Es braucht verbindliche Standards und Grundbausteine, beispielsweise die Bund-ID. Damit können die Bürgerinnen und Bürger unterschiedliche digitale Services unkompliziert nutzen und Verfahren behördenübergreifend abgewickelt werden.

Ein echter Aufbruch zu einem modernen und umsetzungsstarken Staat ist also möglich und wird von der neuen Koalition angestrebt. Aber die Politik muss grundlegende Reformen einleiten. Und die Führungskräfte der öffentlichen Verwaltung müssen ihren Handlungsspielraum aktiv nutzen, um den Wandel der eigenen Organisation voranzutreiben.

Felix Dinnessen

Partner bei Deloitte und Leiter des Geschäftsfelds zur Beratung des Öffentlichen Sektors