Ukraine-Konflikt

Wie Russland sich auf Sanktionen vorbereitet

Sollte der Ukraine-Konflikt weiter eskalieren, wird der Westen neue Sanktionen gegen Russland verhängen. Doch darauf ist Moskau gut vorbereitet. Nur ein Ausschluss aus dem Swift-System würde Russland hart treffen – jedoch auch den Westen.

Wie Russland sich auf Sanktionen vorbereitet

Von Eduard Steiner, Moskau

Sollte Russland in die Ukraine einmarschieren, wird der Westen neue Sanktionen verhängen. Aber Moskau ist darauf vorbereitet wie noch nie. Die Reserven sind auf Rekordhoch, die Staats- und Unternehmensschulden marginal, die Abkehr vom Dollar weit fortgeschritten. Sollte es nicht zu einem Ausschluss aus dem Swift-System kommen, wird der Sanktionsschock verkraftbar sein.

Je sakrosankter Wladimir Putin im Laufe seiner mittlerweile über 20-jährigen autokratischen Herrschaft wurde, umso legendenhafter wurden auch die Erzählungen über die angebliche Einzigartigkeit seiner Fähigkeiten. Er beherrsche die Täuschung im Kampf wie kein Zweiter, sagte etwa sein einstiger Judolehrer später über ihn. Er zeige wie ein Wunderspiegel jedem das Gesicht, das von ihm gerade erwartet werde, erzählen andere. Und ganz generell sei er ein blendender Taktiker. Was in diesen durchstilisierten Erzählungen aber oft untergeht: Der heute 69-jährige Kremlchef und sein Beraterstab beherrschen sehr wohl auch die längerfristige Strategie. Nirgends wird das derzeit so offensichtlich wie in der makroökonomischen Strategie und der Haushaltspolitik.

Seit Jahren verfolgt Moskau das Ziel, sich mit einer ultrakonservativen Wirtschaftspolitik gegen äußere Schocks zu wappnen, Reserven aufzubauen und sich mit allen möglichen Kunstgriffen möglichst unverwundbar zu machen. Und sieht man sich die Eckdaten an, so lässt sich heute angesichts einer möglichen Eskalation im Ukraine-Konflikt und möglicher harter Sanktionen seitens des Westens sagen: Russland ist wirtschaftlich und finanziell darauf vorbereitet wie noch nie.

Just die westlichen Sanktionen infolge der Krim-Annexion 2014 – und der fast zeitgleich stattfindende Absturz des für das Land so wesentlichen Ölpreises – brachten die Wende im ökonomischen Denken. Aus Vorsicht habe sich das Land in der Folge „auf einen Wirtschaftskrieg vorzubereiten begonnen“, erklärte etwa Oleg Wjugin, Aufsichtsratschef der Moskauer Börse, schon vor drei Jahren im Interview der Börsen-Zeitung.

Abkehr vom Dollar

Konkret ersichtlich ist das heute beispielsweise am sogenannten Nationalen Wohlfahrtsfonds, der zur Sicherung der Renten im Notfall eingerichtet wurde und als elftgrößter seiner Art weltweit gilt. Gefüllt mit den überschüssigen Einnahmen aus dem Ölexport, hat er heute einen Wert von 183 Mrd. Dollar bzw. 11,7% des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Angabe in Dollar ist inzwischen freilich obsolet. Im vergangenen Sommer nämlich hat die Regierung beschlossen, die Investitionen in Dollar-Vermögenswerte aufgrund des zunehmenden Konfliktes mit den USA gänzlich aufzugeben.

Heute machen Euro und Gold gemeinsam mit dem chinesischen Yuan 90% des Fonds aus. Auch die Zentralbank, die den Rest der insgesamt 630,5 Mrd. Dollar umfassenden internationalen Gold- und Währungsreserven – ein historischer Re­kordwert – hortet, geht den Weg der Abkehr vom Dollar. Im Sommer 2021 wurde bekannt, dass der Dollar-Anteil, der bis zum Frühjahr 2018 noch knapp 50% betragen hatte und bis Mitte 2020 bereits auf 22% abgefallen war, weiter auf 16,4% reduziert worden ist. Schon Mitte 2020 übertraf der Goldanteil erstmals in der Geschichte den Anteil des US-Dollar. Putin erklärte die Abkehr vom Dollar wiederholt damit, dass Russland dazu gezwungen sei, weil die westlichen Sanktionen in gewissen Sektoren keine Abrechnung in Dollar mehr erlaubten.

Eigenes Zahlungssystem

Und doch ist es auch eine klare Prophylaxe, um möglichen künftigen Sanktionen vorzubeugen. Wie hart die nun angedrohten Maßnahmen ausfallen, wird von der Art der russischen Aggression gegen die Ukraine abhängen, sofern es zu einer solchen kommt. Sollte es auch zu einem Ausschluss vom internationalen Zahlungssystem Swift kommen, hätte das katastrophale Auswirkungen für alle Seiten. Russland hat zwar auch diesbezüglich vorgesorgt und seit 2014 ein eigenes Zahlungssystem namens SPFS aufgebaut, an das über 300 Teilnehmer – vorwiegend russische – angeschlossen sind.

Einen Ersatz für Swift kann es freilich noch lange nicht bieten. Zuletzt wurde ein Fünftel des russischen Finanzverkehrs über SPFS abgewickelt. Gerade im Außenhandel führt auf absehbare Zeit kein Weg an Swift und am Dollar vorbei. Das ist einer der Gründe, weshalb die russische Zentralbank ihrerseits nicht gänzlich auf den Dollar in den Reserven verzichten werde, wie ihre Chefin Elvira Nabiullina vor einiger Zeit erklärte.

Ganz stark verzichtet Russland allerdings seit Jahren auf zu hohe Schulden. Zwar stieg die Staatsverschuldung in der Pandemie von zuvor 13,8% des BIP auf gut 19%. Aber sie bleibt damit nicht nur innerhalb der Industriestaaten, sondern auch der wichtigsten Schwellenländer, von denen China mit 66% noch am vergleichsweise besten dasteht, marginal. Und auch die Unternehmen haben ihre Auslandsschulden seit 2014 massiv reduziert.

An finanzieller Robustheit mangelt es Russland also nicht. An einer Aussicht auf eine dynamische Wirtschaftsentwicklung hingegen sehr wohl.

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