Wirtschaft dringt auf Steuerreform
wf Berlin
Hohe Steuertarife, hohe Lohnstückkosten, hohe Energiekosten sowie geringe öffentliche Beteiligung an den Kosten für Forschung und Entwicklung belasten die Wettbewerbsposition deutscher Unternehmen im internationalen Vergleich. Auf Basis dieser Analyse rät der Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes IW Köln, Michael Hüther, zu einer mutigen Unternehmenssteuerreform. Eine Senkung des Körperschaftsteuersatzes um 5 Punkte auf 10% oder die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags werde die Investitionstätigkeit der Unternehmen langfristig stimulieren. Dies machte Hüther beim Unternehmenssteuerkongress von BDI und PwC deutlich. Den stärksten Effekt auf Investitionen hätte eine Kombination aus Steuersatzsenkung und Abschaffung des Solidaritätszuschlags.
Deutschland steht mit seiner Unternehmensbesteuerung international fast an der Spitze. Steuersätze und effektive Steuerbelastung für Firmen liegen Hüther zufolge eng beieinander. Der Solidaritätszuschlag habe sich inzwischen zur Unternehmenssteuer entwickelt. Schwarz-Rot hatte noch in der alten Legislaturperiode den Soli 2021 für 90% der Zahler abgeschafft, um nur noch Spitzenverdiener zu belasten. Das Aufkommen von rund 20 Mrd. Euro wurde damit aber nur halbiert und großenteils gerettet. Laut Hüther trugen 2020 noch knapp 71% der Arbeitnehmer das Aufkommen und 29% der Unternehmen. Mit der Reform hat sich 2021 das Verhältnis drastisch verschoben: 56% des Aufkommens schultern Unternehmen und 44% die Arbeitnehmer.
Vereinfachung gefordert
Der BDI erneuerte seine Forderung nach einer modernen Unternehmenssteuerreform, die Firmen hierzulande ein wettbewerbsfähiges Umfeld bieten soll. Dieser Schritt sei nach wie vor geboten, wenn man etwas für den Investitionsstandort Deutschland tun wolle, sagte Christian Kaeser, Global Head of Tax der Siemens AG und Vorsitzender des BDI-Steuerausschusses. Zweiter großer Baustein der nötigen Modernisierung sei die Vereinfachung des Steuerrechts. Die von der Ampel-Koalition ausgewählten Schwerpunkte für die Investitionsförderung – Digitalisierung und Klimaschutz – wertete Kaeser als „exakt richtig“.
Die Ampel hat im Koalitionsvertrag „Superabschreibungen“ angekündigt, um Investitionen anzukurbeln. Die Förderung dürfte auf eine Investitionszulage hinauslaufen, ließ der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Schrodi, in der Diskussion durchblicken. Markus Herbrand, finanzpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, verteidigte den geplanten Zeitraum von nur zwei Jahren für 2022 und 2023. Die Anreize sollten schnell wirken, machte er deutlich. Monika Wünnemann, Leiterin der BDI-Steuerabteilung, hatte eine längere Frist von z. B. fünf Jahren in die Debatte geworfen – zumal die Regelung nicht fixiert ist. Fritz Güntzler, Steuerexperte der CDU/CSU, verwies auf mögliche Wechselwirkungen bei der Verrechnung von Verlustrückträgen. Dies werde innerhalb der Ampel noch genau diskutiert, macht Herbrand deutlich.
Schneller als die Investitionsförderung soll ein Coronasteuergesetz als eigenständiger Entwurf kommen – laut Schrodi mit einem Umfang von neun bis elf Punkten. Finanzminister Christian Lindner (FDP) zufolge sollen damit die Homeoffice-Pauschale, die erweiterte Verlustverrechnung, die Fristen für die Abgabe von Steuererklärungen, die steuerfreien Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld und die Steuerbefreiung für den Pflegebonus verlängert werden.