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Handel statt Wandel

Wirtschaftliches Eigeninteresse geht im Umgang mit dem Iran vor Sonntagsreden. Statt Wandel durch Handel sollte es Handel statt Wandel heißen.

Handel statt Wandel

Kommentar

Handel statt Wandel

Deutschland ist der wichtigste Handelspartner des Iran in der EU

Von Andreas Hippin

Was auch immer Sie in den vergangenen Jahren über „feministische Außenpolitik“ gehört haben: Deutschland ist der Deutsch-Iranischen Industrie- und Handelskammer zufolge der größte Handelspartner des Iran in der EU. Die Länder der Staatengemeinschaft waren 2020 für das theokratische Regime in Teheran der zweitgrößte Handelspartner nach der Volksrepublik China.

Wirtschaftliches Eigeninteresse geht vor Sonntagsreden. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine suchen die europäischen Länder nach Wegen, ihre Energieimporte zu diversifizieren. Vermutlich geht es vielen Beteiligten in erster Linie darum, den Fuß in der Tür zu haben, wenn die Sanktionen eines Tages aufgehoben werden.

Stabilisierend für den Iran

Man kann sich das auf vielerlei Art schönreden. Auf der Liste der wichtigsten Exportziele der Bundesrepublik erreicht die Islamische Republik lediglich Platz 66. Das Überleben des Regimes hängt vermutlich nicht vom Handel mit Deutschland ab. Doch wirkt er stabilisierend. Im Vergleich zu der Bonanza, die beim Abschluss des Atomabkommens losbrach, ist er ohnehin stark zurückgegangen. Doch der Handel mit Iran ist in der deutschen Wirtschaft stark verwurzelt.

Mittelständler sehr aktiv

Dem Emirates Policy Center aus Dhabi zufolge unterhielten angeblich zwischen 5.000 und 7.000 deutsche Firmen regelmäßige Handelsbeziehungen mit dem Iran. Während sich die Manager multinationaler Konzerne zurückhielten, hatten Mittelständler weniger Berührungsprobleme. Nachdem die Vereinigten Staaten das Atomabkommen mit dem Iran aufkündigten, knickten die deutschen Exporte von 2,7 Mrd. Euro im Jahr 2018 auf 1,5 Mrd. Euro im Jahr 2019 ein. In den Folgejahren summierten sich die Ausfuhren der Bundesrepublik jährlich auf 1,5 Mrd. bis 1,6 Mrd. Euro. Die Unterstützung Teherans für den russischen Angriffskrieg in der Ukraine hatte im Juli 2023 zu einer Verschärfung der Restriktionen der EU für den Außenhandel mit dem Iran geführt.

Große Chancen

Im vergangenen Jahr waren es nur noch 1,2 Mrd. Euro. Im laufenden Jahr zeichnet sich eine Wiederbelebung ab. Die Reintegration des Iran in die Weltwirtschaft bietet europäischen Unternehmen große Chancen. Aus dem Umgang mit Südafrika zu Zeiten der Apartheid kann man lernen, dass der Slogan „Wandel durch Handel“ nicht mehr ist als ein Feigenblatt.

Man nutzt es gerne, um die eigenen Interessen zu bemänteln. Schließlich macht es einen viel besseren Eindruck, wenn sich der rege wirtschaftliche Austausch mit solchen Regimen als Mittel zum guten Zweck verkaufen lässt. Doch der Wandel in Südafrika kam nicht durch Handel zustande.

Gegen die Zivilgesellschaft

Auch in Russland und China hat das Konzept, sollte es ernst gemeint gewesen sein, versagt. „Handel statt Wandel“ wäre eine bessere Formulierung für das, was tatsächlich geschieht. Der Außenhandel stabilisiert autoritäre Regime.

Kopplung an die Menschenrechte

Gerne wird so getan, als ob eine Öffnung zum Westen die Spielräume für die iranische Zivilgesellschaft ausweiten würde. Die brutale Niederschlagung der Proteste nach dem Mord an der Kurdin Mahsa Amini vor zwei Jahren hat gezeigt, dass dem nicht so ist. Will man nachhaltig mit solchen Ländern Handel treiben, sollte man Geschäfte mit der Einhaltung der Menschenrechte verknüpfen, wie von Amnesty International gefordert.

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