Labours Glaubwürdigkeit hängt vom Wachstum ab
Labours Glaubwürdigkeit hängt vom Wachstum ab
Geopolitik-Berater hält Wahlversprechen für schwer erfüllbar
hip London
Die zweitgrößte europäische Volkswirtschaft wird aller Voraussicht nach in den kommenden fünf Jahren von Labour regiert. Die Wahllokale schlossen am Donnerstag erst um 23:00 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Doch deuteten alle Meinungsumfragen auf einen Erdrutschsieg für die von Keir Starmer geführte Opposition hin.
Das Schicksal der neuen Regierung hängt in hohem Maße davon ab, dass sie ihre Wachstumsziele erreicht. Starmer hatte in einem ITV-Interview darauf verwiesen, dass die britische Wirtschaft unter der letzten Labour-Regierung um rund 2,5% gewachsen sei. Das werde man anstreben. Die Volkswirte des Nationalen Instituts für Wirtschafts- und Sozialforschung (NIESR) rechnen für 2024 allerdings gerade einmal mit einem Wachstum von 0,8%.
Heftige Kritik zu erwarten
„Labour würde sowohl von politischen Gegnern als auch von der Öffentlichkeit stark kritisiert, sollten sie beim Wirtschaftswachstum nicht liefern“, sagte Syga Thomas, CEO der auf geopolitische Fragen spezialisierten Strategieberatung Ensah Advisory Partners, der Börsen-Zeitung.
„Wird kein Wachstum erreicht, könnte das die Glaubwürdigkeit von Labour beschädigen und künftige Wahlerfolge unwahrscheinlich machen", sagte Thomas. Die Bürger könnten sich anderen Parteien wie den Liberaldemokraten, den Grünen oder radikaleren linken Gruppen zuwenden. Auch rechte Parteien könnten desillusionierte Labour-Wähler anziehen. Einer Umfrage des Meinungsforschers Survation zufolge könnte Nigel Farages Rechtspartei Reform UK schon bei dieser Wahl 13 Unterhausmandate holen.
Fokus auf Handelsbeziehungen
Angesichts der politischen Volatilität, die man in den vergangenen Jahre beobachten konnte, sind Thomas zufolge erneute vorgezogene Neuwahlen nicht auszuschließen, sollte Labour ihre Versprechen nicht erfüllen. Den unabhängigen Haushaltshütern des Office for Budget Responsibility zufolge werde das Wachstum begrenzt bleiben, sollte sich an den Handelsbeziehungen des Landes nichts wesentlich ändern.
„Vor dem Brexit war das Wachstum höher“, sagte Thomas. „Das legt nahe, dass engere Beziehungen zur EU die wirtschaftliche Performance steigern könnten.“ Ohne stärkeres Wachstum seien Wahlversprechen wie die Stärkung des National Health Service (NHS) kaum zu erfüllen. Die Pläne von Labour könnten zusätzliche jährliche Ausgaben von 15 Mrd. Pfund erforderlich machen, sagte Thomas. Der wirtschaftliche Ausblick sei ohne stärkere Bemühungen um eine Integration in den gemeinsamen Markt der EU „herausfordernd“.