JAHRESGUTACHTEN DER WIRTSCHAFTSWEISEN

Wirtschaftsweise uneins bei der Schuldenbremse

Schnabel und Truger stimmen nicht zu

Wirtschaftsweise uneins bei der Schuldenbremse

arp Frankfurt – Der Streit über das Für und Wider der Schuldenbremse hat auch den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung erreicht. “Ein Konjunkturprogramm ist aus heutiger Sicht nicht angezeigt”, sagte der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, bei der Vorstellung des Gutachtens am Mittwoch in Berlin. Die Schuldenbremse sei “nachhaltig, stabilisierend, flexibel”. Auch sei eine “glaubwürdige Rückführung der Schuldenstandsquote ein wichtiges Signal an die Finanzmärkte und an andere Mitgliedsstaaten der EU”, heißt es zwar in dem Gutachten – das gibt aber lediglich die Meinung von drei der fünf Wirtschaftsweisen wieder. Eine andere MeinungZwei Mitglieder des Sachverständigenrates, Isabel Schnabel und Achim Truger, haben in dem Gutachten eine abweichende Meinung hinterlegt. Sie sehen “durchaus konzeptionelle Probleme der Schuldenbremse, die längerfristig für eine Reform sprechen”. Auch halten sie es für “sinnvoll, bestehende Spielräume pragmatisch zu nutzen, um konjunkturelle Flexibilität zu bewahren und den erheblichen Investitionsbedarf zu decken”.Gerade für Schnabel ist Distanz zu den Kernaussagen des Gutachtens nötig. Schließlich hatte nicht zuletzt die neue Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, noch als Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) Deutschland mehrfach und nachdrücklich zu höheren Investitionen aufgefordert. Schnabel soll als Nachfolgerin von Sabine Lautenschläger in das EZB-Direktorium einziehen.So kann sich Schnabel auch einer Bewertung der Politik durch den Sachverständigenrat nicht anschließen, der mehrheitlich der Ansicht ist, dass es besser gewesen wäre, wenn die EZB auf die in der Septembersitzung beschlossene Wiederaufnahme des Anleihekaufprogramms verzichtet hätte (siehe nebenstehender Bericht).Denn obgleich die deutsche Wirtschaft, vor allem die Industrie, sich im Abschwung befinde, sehen die Wirtschaftsweisen keine “breite und tiefgehende Rezession”. Wie bereits vorab bekannt geworden ist, rechnet das Ökonomen-Gremium im kommenden Jahr mit einem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 0,9 (kalenderbereinigt: 0,5) %. Im März war es noch von einem Plus von 1,7 % ausgegangen.Für den Abschwung machen sie auch “strukturelle Ursachen” aus, “auf welche die Wirtschaftspolitik in der langen Phase des Aufschwungs nicht ausreichend reagiert hat”. So zeige sich seit einiger Zeit “eine anhaltend schwache Produktivitätsentwicklung”. Diese ist den Wirtschaftsweisen zufolge zwar kein auf Deutschland beschränktes Phänomen. “Da der Wohlstand einer Volkswirtschaft jedoch von ihrer Innovationsfähigkeit abhängt, ist die nationale Politik gefordert, unternehmerisches Handeln zu stärken und die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass mehr Akteure bereit sind, unternehmerische Risiken einzugehen”, heißt es in dem Gutachten. Industriepolitik”Eine Industriepolitik, die für alle Marktakteure die geeigneten Rahmenbedingungen festlegt und die Wissensdiffusion und -teilung vorantreibt, kann den Boden für eine höhere Dynamik und Wettbewerbsfähigkeit bereiten”, so die Wirtschaftsweisen, die aber auch ausdrücklich vor Schutz und Subventionierung einzelner Wirtschaftsbereiche und Unternehmen warnen, was “den Strukturwandel bremsen” könne. So solle Industriepolitik “vor allem Innovationspolitik” sein und regelmäßig evaluiert werden. Zudem spielten auch “steuerliche Anreize (…) eine Rolle bei der Entscheidung zu unternehmerischem Handeln”. Auch stellen die Wirtschaftsweisen die Herausforderungen der Banken dar (siehe Interview auf dieser Seite).