Geldpolitik

Zentralbanken kämpfen mit steigenden Preisen

Die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) entscheiden über ihren weiteren Kurs. Die Spannung ist groß. Wie werden sie die hartnäckig hohe Inflation einschätzen? Und wie darauf reagieren?

Zentralbanken kämpfen mit steigenden Preisen

Von Mark Schrörs, Frankfurt

Wenn nun erst die US-Währungshüter und dann die Euro-Notenbanker über ihren Kurs entscheiden, wird es vor allem um ein Thema gehen: die hartnäckig sehr hohe Inflation und die an­gemessene geldpolitische Reaktion. In den USA ist die seit Jahresbeginn unerwartet stark gestiegene Verbraucherpreisinflation im No­vember noch einmal hochgeschnellt auf 6,8% – der höchste Stand seit immerhin 39 Jahren. Im Euroraum liegt die Teuerung mit 4,9% zwar noch etwas niedriger, aber auf einem absoluten Rekord seit der Einführung des Euro im Jahr 1999. Sowohl Fed als auch EZB streben 2% an.

Die große Frage ist nun weiterhin, ob es sich dabei nur um ein vorübergehendes Phänomen handelt oder um einen anhaltenden Trend – ob also die Inflation vor einem Comeback steht. Das ist entscheidend dafür, wie stark die Zentralbanken gegensteuern sollten. Bei einem vorübergehenden Inflationsanstieg können die Zentralbanken da „hindurchschauen“, wie es in der Notenbanksprache heißt. Bei einem dauerhafteren Phänomen wäre eine Straffung der Geldpolitik angezeigt.

Fed und EZB haben lange Teile des Jahres das Inflationsproblem eher als „temporär“ heruntergespielt und beschwichtigt. Tatsächlich hat der Inflationsanstieg viele Sonder- und Basiseffekte, die eher von kurzer Dauer sein sollten. Das zeigt sich be­sonders bei den Energiepreisen, die nach wie vor der wesentliche Treiber der Teuerung sind. Der starke Anstieg der Energiepreise geht insbesondere auf den zwischenzeitlich starken Anstieg des Ölpreises zurück, der im Coronajahr 2020 regelrecht eingebrochen war. Hinzu kommen Effekte durch das Wiederhochfahren der Wirtschaft nach den Lockdowns – das Angebot hat vielfach nicht mit der Nachfrage mithalten können. Zudem führte das zu weltweiten Lieferengpässen, etwa bei Halbleiter-Chips. Fed und EZB prognostizieren bereits für 2022 wieder deutlich niedrigere Inflationsraten.

Längst aber haben Sorgen zugenommen, dass die Teuerung doch nicht nur von kurzer Dauer sein könnte – oder aber zumindest der erwartete Rückgang länger auf sich warten lässt und weniger stark ausfällt als gedacht. Dass der Inflationsschub vor allem in den USA, aber auch im Euroraum an Breite gewinnt, schürt solche Bedenken. In den USA liegt die Kerninflation ohne Energie und Lebensmittel bereits bei 4,9%.

Widersprüchliche Trends

Erschwerend für die Notenbanker kommt hinzu, dass der mittel- und längerfristige Trend der Inflation unsicher ist. Nach verbreiteter An­sicht werden zwar auch auf mittlere Frist die unterausgelasteten Kapazitäten in der Industrie und am Arbeitsmarkt den Preisauftrieb bremsen. Vie­le Volkswirte setzen zudem darauf, dass weltweit die Inflation dämpfende Faktoren wie die Globalisierung und Digitalisierung auch künftig für einen geringen Preisdruck sorgen. Tatsächlich gibt es aber auch gute Gründe anzunehmen, dass die disinflationären Kräfte der vergangenen Jahrzehnte nachlassen könnten. So könnte die Globalisierung künftig weniger stark auf die Preise drücken – zumal sie wegen der Coronakrise teils rückabgewickelt wird. Zudem gibt es in vielen Ländern eine alternde Bevölkerung – wodurch das globale Arbeitsangebot zurückgehen und die Löhne steigen könnten. Auf solche Entwicklungen weist der langjährige britische Notenbanker Charles Goodhart hin. Hinzu kommt die Geldflut der Krisenjahre.

Fed-Chef Jerome Powell hat nun unlängst erklärt, das Wort „vorübergehend“ („transitory“) sei vielleicht nicht mehr das beste, um den Inflationstrend zu beschreiben. Zudem signalisierte er, dass sich der Fokus der Fed von der Wachstumsunterstützung in Richtung Inflationsbekämpfung verschoben hat. Viele Beobachter erwarten deshalb nun, dass die Fed ihre billionenschweren Anleihekäufe schneller herunterfährt als bislang angekündigt – was die Tür für schnellere Zinserhöhungen öffnen würde. Statt Mitte 2022 wird ein Ende des „Tapering“ nun schon im Frühjahr erwartet – samt rascher Abkehr vom Nullzins. Begleitet wird das von der Sorge, dass es den Aufschwung abwürgen könnte.

Die EZB hält bislang daran fest, die Inflation als temporär zu bezeichnen. Sie betont zudem stets die Unterschiede zu den USA und unternimmt nur zaghafte Schritte in Richtung Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik. Am Donnerstag dürfte die EZB beschließen, das 1,85-Bill.-Euro-Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP im März 2022 zu beenden. Verbreitet wird dann aber eine Aufstockung des parallelen Kaufprogramms APP erwartet. Und von Zinserhöhungen will die Mehrheit im EZB-Rat bis dato nichts wissen.

Die geldpolitischen „Tauben“ fühlen sich bestärkt durch die weiter hohe Konjunkturunsicherheit, die durch die Coronavirus-Mutation Omikron zuletzt noch zugenommen hat. Allerdings könnte Omikron etwa auch die Lieferprobleme verstärken – und so die Inflation weiter ankurbeln. Es gibt für die Notenbanker diese Woche also viel zu diskutieren.

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