Zu schade für die Reserve
Ein rhetorisches Feuerwerk zündete Ralph Brinkhaus (CDU) im Bundestag, als er am 15. Dezember in seiner neuen Rolle als Oppositionsführer auf die erste Regierungserklärung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) antwortete. Brinkhaus sprach wie immer: druckreif ohne Manuskript, strukturiert und inhaltsreich. Das Plenum wurde wieder wach, nachdem Scholz den Koalitionsvertrag zuvor minutiös referiert hatte. Weil er merkte, dass er aus der Redezeit lief, hastete er durchs Manuskript.
Oppositionsführer und Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion ist der 53-jährige Brinkhaus nur noch kurze Zeit. Den Unionsabgeordneten teilte er am Donnerstag schriftlich mit, dass er bei der nächsten Wahl nicht gegen Friedrich Merz antreten wird. Merz greift selbst nach dem mächtigen Amt im Bundestag, nachdem ihn seine Partei zwar erst im dritten Anlauf, aber mit überwältigendem Ergebnis zum Vorsitzenden gewählt hatte. Der Schritt ist für Merz machtpolitisch richtig. Er serviert damit aber einen Mann ab, den die Fraktion schätzt. Sie hatte ihn im September 2018 überraschend für Volker Kauder gewählt, dessen autokratischer Führungsstil aneckte.
Brinkhaus ist klug genug, Partei und Fraktion nun nicht einen neuen, schmerzhaften Machtkampf zuzumuten. Er dringt auf die Wahl zum Fraktionsvorsitz bereits am 15. Februar, obwohl er bis Ende April gewählt ist. Schon bald stehen wichtige Wahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen an. In allen drei Bundesländern will die Union ihre Führung verteidigen. Geschlossenheit ist da gefragt. Brinkhaus verkleistert nicht den Dissens zu Merz, lässt die Lage aber nicht eskalieren und bittet um Unterstützung für seinen designierten Nachfolger. Das dürfte ihm noch mehr Respekt in der Fraktion verschaffen. Seinen Wahlkreis Gütersloh hatte er direkt mit einem Traumergebnis von 40% geholt, während die CDU dort nur auf 29,4% kam.
Mit ihm verliert nicht nur ein Hoffnungsträger der CDU, dem auch schon Kanzlerfähigkeit attestiert wurde, an Einfluss, sondern auch ein exzellenter Finanzpolitiker. Brinkhaus ist Wirtschaftswissenschaftler und Steuerberater. 2004 hatte er sich mit dem Schwerpunkt internationales Rechnungswesen selbständig gemacht. Kapitalmarkt ist für ihn kein Fremdwort und wirkt auch nicht bedrohlich, wie auf manchen im Bundestag. Seine erste Rede als Oppositionsführer nutzte er, um auch zentrale finanzpolitische Themen zu adressieren. Finanzminister Christian Lindner (FDP) warf er vor, am Fundament der Schuldenbremse zu sägen. Eine Aktienrente und kapitalgedeckte Elemente in der Altersvorsorge findet er gut, fordert von der Regierung aber auch die dringend nötige grundlegende Rentenreform ein. Eine Stärkung der industriellen Basis hierzulande ist für ihn eng mit einem wettbewerbsfähigen Unternehmenssteuerrecht verbunden. Fraktionsämter oder herausragende Posten wie Ausschussvorsitze sind schon vergeben. Brinkhaus hatte dort keine Rückfallposition aufgebaut. Womöglich fällt der Fraktion noch etwas ein, wie sie einen ihrer fähigsten Köpfe gut positioniert.