Zugeständnis der USA lässt Autobranche kalt
Die deutsche Autobranche hat reserviert auf erste Zugeständnisse der US-Regierung im Subventionsstreit mit der Europäischen Union reagiert. Leitlinien zum sogenannten Inflation Reduction Act (IRA) legen nach Ansicht der EU-Kommission nahe, dass Kunden in den USA auch dann Steuervorteile bekommen können, wenn sie ein Elektroauto einer europäischen Marke leasen. Hildegard Müller, Präsidentin des Branchenverbands VDA, hält sich bedeckt: „Die Bundesregierung und die EU müssen sich weiter für eine Lösung bezüglich der Benachteiligung europäischer Produkte durch den IRA einsetzen. Dabei sollten alle Ansatzpunkte geprüft werden“.
Zum Jahreswechsel ist in den USA das Inflationsbekämpfungsgesetz in Kraft getreten. Es sieht neben Steuergutschriften für Verbraucher direkte Subventionen für amerikanische Unternehmen vor, die klimafreundliche Produkte in den USA herstellen. Das Prestigeprojekt von Präsident Joe Biden hat erheblichen Widerstand in der europäischen Politik und Wirtschaft ausgelöst, weil sich hiesige Exporteure auf Kosten des Welthandelsrechts benachteiligt fühlen.
Kurz vor dem Jahreswechsel haben Finanzministerium und Steuerbehörde in den USA die Anwendung des Gesetzes konkretisiert. Den Leitlinien zufolge gelten bestimmte Steuervergünstigungen beim Leasing auch für gewerbliche Fahrzeuge europäischer Unternehmen und nicht nur für solche aus amerikanischer Produktion. Das ist die Lesart der EU-Kommission laut einer kurz vor dem Jahreswechsel veröffentlichten Mitteilung. Die Brüsseler Behörde begrüßt dies als Entgegenkommen der US-Regierung.
Allerdings gibt sie sich damit nicht zufrieden. Ihrer Mitteilung ist zu entnehmen, dass sie darin lediglich einen Etappenerfolg sieht. Demnach dringt die EU-Kommission auf weitere Zugeständnisse für europäische Autobauer. Das US-Subventionsprogramm sei „für die EU nach wie vor besorgniserregend, da es diskriminierende Bestimmungen enthält, die Unternehmen aus der EU de facto von den Vorteilen ausschließen“.
Beim Automobilverband VDA scheint der Kompromiss jedenfalls Skepsis hervorzurufen. „Entscheidend ist letztlich eine belastbare und nachhaltige Lösung im Sinne des freien Handels“, gibt VDA-Chefin Müller zu Protokoll. Bundesregierung und EU-Kommission müssten sich zudem endlich dem verschärften Standortwettbewerb stellen. „Wichtig ist dabei auch, dass die EU ihre eigenen Lieferketten für die Elektromobilität aufbaut.“
Unter Zeitdruck hatten Vertreter von EU-Kommission und amerikanischer Regierung im Dezember um Lösungen im Subventionsstreit gerungen. Denn der Inflation Reduction Act gilt seit 1. Januar. Der für Handel zuständige EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis hatte Anfang Dezember nach einem hochrangigen Treffen in den USA rechtzeitige Zugeständnisse Washingtons eingefordert.
Die Zeitnot löste bei Fachleuten Sorgen aus. So verlangte Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), zwar konkrete Ergebnisse. „Allerdings sollten EU-USA-Verabredungen immer das WTO-Recht beachten.“ Hintergrund: Die USA knüpfen Beihilfen daran, dass Autos und andere Produkte samt Komponenten ganz oder großteils aus US-Werken kommen. Nach den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) ist dies verboten. Mit den nun bekannt gewordenen Ausnahmen für europäische Autobauer ist dieses grundsätzliche Problem nicht vom Tisch.
Ein weiteres Problem: Die Autobranche ist mit ihren Vorbehalten nicht allein. So bemerkte VDA-Chefin Müller bereits vor Wochen, der Inflation Reduction Act betreffe „auch viele andere Branchen und fordert insgesamt die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft heraus“. Der Chef des Industrieverband BDI, Siegfried Russwurm, gab die Devise aus, „dass die US-Behörden die Umsetzungsrichtlinien so großzügig wie möglich ausgestalten, um europäische Unternehmen nicht zu benachteiligen“. Die EU-Kommission will die Hoffnung auf weitere Zugeständnisse nicht aufgeben: Die US-Regierung habe signalisiert, sich mehr Zeit für die Leitlinien des Inflation Reduction Act zu nehmen.