Geldpolitik

Zweifel am Erreichen des Inflationsziels bis 2025 wachsen

Auch in vier Jahren könnte die Inflation laut Volkswirten noch über dem Teuerungsziel der Europäischen Zentralbank liegen. Derweil deuten mehrere Notenbanker weitere Zinserhöhungen in diesem Jahr an.

Zweifel am Erreichen des Inflationsziels bis 2025 wachsen

Zweifel am Erreichen des Inflationsziels bis 2025 wachsen

Ökonomen sehen Teuerung im Euroraum auch noch 2027 über 2 Prozent – EZB-Vertreter deuten weitere Zinserhöhungen an

ms/mpi Frankfurt

Einen Tag nach der Zinssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) haben Euro-Notenbanker die Signale für weitere Zinserhöhungen im Euroraum verstärkt. Gleich mehrere EZB-Vertreter deuteten am Freitag weitere Zinsschritte an – darunter auch der einflussreiche französische Zentralbankchef François Villeroy de Galhau. Wie weit die Zinsen noch angehoben werden, bleibt aber offen – und die Meinungen unter Beobachtern gehen auseinander. Unterdessen wachsen bei Experten die Zweifel, dass die EZB bis 2025 die Inflation auf das Ziel von 2,0% drücken kann.

Die EZB hatte am Donnerstag ihre Leitzinsen erneut erhöht, aber das Tempo gedrosselt. Die Euro-Notenbanker hoben ihre Leitzinsen um 25 statt zuletzt 50 Basispunkte an. Seit Juli belaufen sich die Zinserhöhungen damit auf 375 Basispunkte – was beispiellos ist. Zuletzt hat aber die Debatte zugenommen, wie viel noch kommt. Einerseits ist die Inflation weiter viel zu hoch, andererseits nehmen die Sorgen um die Wirtschaft und das Bankensystem zu. Die US-Notenbank Fed hatte am Mittwoch ihren Leitzins ebenfalls angehoben, aber zugleich eine Zinspause signalisiert. Beobachter rätseln, wie lange sich die EZB von der Fed abkoppeln kann. Der US-Leitzins liegt aber deutlich höher als die Euro-Leitzinsen, weil die Fed auch früher damit begonnen hat.

Von der EZB befragte Ökonomen haben ihre Inflationserwartungen für die Eurozone zwar leicht gesenkt, prognostizieren aber selbst für 2027 noch eine Teuerungsrate, die minimal über dem 2,0-%-Ziel der Notenbank liegt. Aus den Daten der am Freitag veröffentlichten Survey of Professional Forecasters (SPF), geht hervor, dass die Volkswirte für das laufende Jahr mit einer Inflationsrate von 5,6% rechnen, nach 5,9% bei der vorherigen Befragung im Februar. Für die SPF geben Ökonomen viermal im Jahr Wachstums- und Inflationsprognosen ab.

Im kommenden Jahr fällt die Inflationsrate der Umfrage zufolge auf 2,6% und sinkt bis 2025 dann auf 2,1%. Bei der Kerninflation, für die Lebensmittel- und Energiepreise nicht berücksichtigt werden, haben die befragten Ökonomen ihre Prognose für das laufende Jahr nach oben geschraubt. Statt von 4,4% gehen sie nun von 4,9% aus. Der zugrunde liegende Preisdruck erweist sich damit einmal mehr als äußerst hartnäckig.

Frankreichs Zentralbankchef Villeroy de Galhau deutete daher am Freitag in einem Interview mit dem Sender Radio Classique an, dass die EZB in diesem Jahr womöglich noch mehrfach die Leitzinsen anheben wird. „Das Wesentliche ist getan, auch wenn es wahrscheinlich noch einige Zinserhöhungen geben wird.“ Auch aus Sicht von Litauens Notenbank-Chef Gediminas Šimkus müssten die Zinsen noch weiter steigen. „Wir werden die Zinsen für eine hinreichend lange Zeit hoch belassen, um die Inflation wieder auf zwei Prozent zurückzubringen“, fügte Šimkus gegenüber Journalisten hinzu. Bei den mittelfristigen Inflationserwartungen ist Villeroy de Galhau optimistischer als die von der EZB befragten Ökonomen. Er erwartet, dass das Inflationsziel womöglich schon Ende 2024 erreicht sein wird.

Nach Einschätzung des früheren Wirtschaftsweisen und Geldpolitik-Experten Volker Wieland muss die EZB ihre Leitzinsen sehr viel stärker anheben als derzeit an den Finanzmärkten erwartet und auch von Euro-Notenbankern signalisiert. „Die bisherigen Zinserhöhungen werden in jedem Fall bei weitem nicht ausreichen. Beim aktuell entscheidenden Einlagensatz werden wohl 4% bis 5% nötig sein, um die Inflation nachhaltig zu drücken“, hatte Wieland am Donnerstag im Interview der Börsen-Zeitung gesagt (vgl. BZ vom 5. Mai). Nach der Zinserhöhung am Donnerstag liegt der Einlagezins bei 3,25%. An den Märkten wird der Zinsgipfel aktuell bei rund 3,75% gesehen.

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