Willkommen in Gotham City
Notiert in London
Willkommen in Gotham City
Von Andreas Hippin
Arbeiten von zu Hause war gestern. Anders als von vielen erwartet, hat die Pandemie nicht dazu geführt, dass Angestellte nur noch von einem Ort ihrer Wahl aus tätig werden. Zahlreiche Londoner Firmen verlangen von ihren Mitarbeitern, mindestens drei Tage die Woche ins Büro zu kommen. Das mittlerweile von den Mietern bezogene Gebäude 40 Leadenhall Street ist ein „destination office“. Es soll Anreize zur Rückkehr in den Arbeitsalltag liefern.
Das auch unter dem Namen „Gotham City“ bekannte Projekt ist mit einer Fläche von 83.600 qm nach 22 Bishopsgate und 100 Bishopsgate der drittgrößte Büroturm der britischen Metropole. Beinahe hätte der britische EU-Austritt das Projekt aus der Bahn geworfen. Der damalige Entwickler machte seine Fortführung davon abhängig, dass ausreichend Fläche vorab vermietet werden kann.
Brexit und Pandemie überdauert
Kurz nachdem im Oktober 2019 bei M&G die Investmententscheidung für 40 Leadenhall fiel, sah es erneut so aus, als würde die 900 Mill. Pfund schwere Wette auf Büros in der Londoner City nicht aufgehen. Die Regierung reagierte im Frühjahr 2020 mit Ausgangssperren auf das sich rasant ausbreitende Sars-CoV-2-Virus. Wer dazu in der Lage war, stellte auf „work from home“ um. Danach war viel von Paradigmenwechsel und einer neuen Form des Arbeitens die Rede.
Inzwischen wäre es vielen Unternehmen recht, wenn ihre Mitarbeiter wieder jeden Tag erscheinen würden. Wer hoffte, künftig vom Strand in Cornwall oder Kent aus arbeiten zu können, wurde enttäuscht. Wer in dieser Annahme sein Haus oder seine Wohnung in London aufgab, verbringt nun viel Zeit in überfüllten Zügen. Bereits 2022 hatte M&G fast die Hälfte der Fläche vermietet. Die Kanzlei Kirkland & Ellis war dabei der Vorzeigekunde. Neben Anwälten finden sich unter den Mietern vor allem Versicherer wie Acrisure, ARC Insurance, Chubb und die japanische Sompo.
Bücherei, Friseur, Kino
40 Leadenhall will den Mitarbeitern der Firmen, die sich dort eingemietet haben, das Büroleben auf vielerlei Weise versüßen. Das Gebäude erfüllt alle Nachhaltigkeitsanforderungen an einen Neubau. Es beherbergt neben einem Friseur, einem Fitnessstudio und einem kleinen Kino auch eine Bücherei mit 10.000 Büchern. Dort finden sich neben in so einem Kontext erwartbaren Titeln wie „How to Become Famous“ und „The Status Game“ auch Überraschungen wie Noam Chomskys „What We Say Goes“ über die Rolle der USA in einer sich verändernden Welt.
Es gibt 1.000 Fahrradstellplätze. Wer sich auf dem Weg zur Arbeit verausgabt hat, findet ausreichend Gelegenheit zum Duschen. Im Erdgeschoss stehen sieben Bäume. Und dennoch wird man den Eindruck nicht los, eine künstliche Welt betreten zu haben, wenn man durch die Eingangshalle schreitet, die auf den riesigen Central Square des Komplexes führt. Die Bildschirmwand, die den Platz dominiert, verstärkt das Gefühl, sich am Set von „Blade Runner“ oder „Westworld“ zu befinden. Willkommen in Gotham City!