LEITARTIKEL

Aktionäre in Aktion

Investoren zeigen Flagge. Lange gescholten für zu wenig Engagement auf Hauptversammlungen treten institutionelle Anleger in Aktion. Es kann zwar von einem breiten Ansturm am Wortmeldetisch noch keine Rede sein, doch immer mehr Fondsvertreter gehen...

Aktionäre in Aktion

Investoren zeigen Flagge. Lange gescholten für zu wenig Engagement auf Hauptversammlungen treten institutionelle Anleger in Aktion. Es kann zwar von einem breiten Ansturm am Wortmeldetisch noch keine Rede sein, doch immer mehr Fondsvertreter gehen ans Mikrofon. Noch deutlicher ist der Tatendrang in den Abstimmungen, wo in der laufenden Saison schon manch gelbe, wenn nicht gar rote Karte gezückt wurde. Von “Hauptversammlungskultur” möchte man noch nicht sprechen, doch es bewegt sich etwas.Die Kritik richtet sich aktuell vor allem gegen Managergehälter, was kein neues Thema ist, aber dieses Jahr im Fokus steht. Doch auch altbekannte Streitpunkte werden adressiert, wie Aktienrückkauf oder Finanzierung. So hat sich beim Versorger Eon fast ein Fünftel des vertretenen Kapitals gegen den neuen Rahmen für Kapitalerhöhungen ausgesprochen. Der weltweit größte Rückversicherer Munich Re konnte eine Niederlage nur dadurch vermeiden, dass einen Tag vor Abstimmung eine Selbstbeschränkung auf den Tisch gelegt wurde.In der Öffentlichkeit sorgt das Anprangern vermeintlich überzogener Saläre allerdings für mehr Aufmerksamkeit als Opposition gegen so trockene Themen wie genehmigtes oder bedingtes Kapital – wenngleich auch darin hohe Brisanz stecken kann. Doch Gehälter sind in Politik und Bevölkerung in lebhafter Debatte, und man darf vermuten, dass Investoren sich durch diesen Diskurs unter Druck sehen, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Sie wollen im Kreis der Stakeholder nicht länger als diejenigen gelten, die Exzesse tolerieren, so lange der Aktienkurs nach oben geht.Die Einsicht kommt nicht von Ungefähr. Seit der Finanzkrise stehen institutionelle Adressen in der Kritik, zu wenig auf die Governance ihrer Investments geachtet zu haben. Mit Blick auf die Managergehälter wird ihnen speziell angekreidet, durch auf den schnellen Return ausgerichtete Anlagestrategien auch Kurzfristdenken in Vergütungsmodellen zu unterstützen und damit riskante Fehlanreize im Management von Konzernen zu tolerieren, wenn nicht gar zu fördern. Dieses Image möchte die Anlegergemeinde verständlicherweise loswerden, und inzwischen wird in Kodizes und Selbstverpflichtungen auf verantwortlichen Umgang mit Investments hingewirkt.Der Widerstand gewinnt an Vehemenz. Auf zahlreichen Hauptversammlungen haben Investoren den Daumen über der Vergütung gesenkt. Bei ProSiebenSat.1, Merck und Munich Re wurden die Entlohnungspakete sogar mehrheitlich abgelehnt. Das ist Rekord, nachdem es im Dax zuvor überhaupt nur zweimal 2010 und 2016 im Fall von Heidelberg Cement und Deutsche Bank solche vernichtenden Ergebnisse gegeben hat. Allerdings konnte man gewarnt sein, denn die Zustimmungsquoten waren schon 2016 auf Talfahrt gegangen.Bemerkenswert ist, dass inzwischen die Aufsichtsräte als Verantwortliche für die Gestaltung der Vorstandsverträge stärker ins Rampenlicht gerückt werden. So haben Aktionäre das Kontrollgremium des Softwarekonzerns SAP mit einer Entlastung von nur knapp über 50 % abgestraft. Die Vergütungspolitik konnten die Anleger nicht direkt verdammen, weil ein solcher Beschluss nicht auf der Tagesordnung stand, nachdem im Vorjahr nur 55 % die Gehälterpakete goutierten. Bei SAP steht allerdings auch die Zusammensetzung des Aufsichtsrats in der Kritik, so dass die Ohrfeige nicht allein in der Unzufriedenheit über das CEO-Gehalt begründet ist. Der Querverweis auf die Verantwortung des Aufsichtsrats wird indes noch nicht zwangsläufig gezogen: So fiel bei ProSiebenSat.1 zwar die Vergütung durch, entlastet wurde aber dennoch mit knapp 96 %.Bei allem Protest darf nicht übersehen werden, dass Investoren nicht generell die absolute Höhe der Gehälter aufstößt. Sie beanstanden oftmals primär die unzureichende Transparenz, das Anreizmodell oder den Ermessensspielraum des Aufsichtsrats. Insofern gehen öffentliche Meinung und institutionelle Anleger hier nicht unbedingt konform.Die Investoren sind in dieser Szenerie mehr als zuvor gefordert, sich unmissverständlich über ihre Vorstellungen zu Angemessenheit und Ausgestaltung von Managervergütungen zu artikulieren. Denn in – vielerorts schon praktizierten – bindenden Abstimmungen ist dieses Know-how gefordert. Und noch werden professionelle Anleger von Aufsichtsräten und Vorständen mit dem Argument abqualifiziert, ihnen fehle die Expertise, um überhaupt sachverständig über Gehälter befinden zu können. Das sollten sie nicht auf sich sitzen lassen.——–Von Sabine WadewitzInvestoren sind in der Diskussion über exzessive Managergehälter gefordert, sich klar zu artikulieren – nicht nur über das Ausfüllen von Stimmkarten.——-