Unterm Strich

Als Mephisto in die Geldpolitik einzog

Aus der Aufhebung der Goldbindung des US-Dollars lassen sich auch 50 Jahre später noch Schlüsse für die Geldpolitik ziehen. Denn weder haben sich seither die Funktionen des Geldes geändert, noch die zentrale konstituierende Eigenschaft einer Währung.

Als Mephisto in die Geldpolitik einzog

Es ist nicht überliefert, ob Richard Nixon am Vorabend des 15. August 1971 vielleicht Goethes Faust II gelesen hat und ihn Mephistos Vers „Ein solch Papier, an Gold und Perlen statt, ist so bequem, man weiß doch, was man hat“ beeindruckte. Fakt ist, dass der US-Präsident vor 50 Jahren mit einer Fernsehansprache an sein Volk an jenem Sonntagabend für alle überraschend die Goldbindung des US-Dollars aufhob und damit den Weg frei machte für eine „bequemere“ Geld- und Finanzpolitik – jedenfalls aus Sicht der US-Regierung. Mit seiner auch als „Nixon-Schock“ in die Geschichtsbücher eingegangenen Rede beendete der amerikanische Präsident kurzerhand das 1944 in Bretton Woods etablierte System fester Wechselkurse, deren zentrale Säule die Goldbindung des US-Dollars war und damit in abgeleiteter Form auch der anderen wichtigen Währungen der westlichen Welt. Wirtschaftspolitische Alleingänge der USA ohne Absprache mit Verbündeten sind also keine Erfindung des Donald Trump.

Goldbindung nicht zu halten

Aus diesem historischen Ereignis lassen sich auch heute noch Schlüsse für die Geldpolitik ziehen. Denn weder haben sich seither die Funktionen des Geldes geändert, nämlich Tausch-, Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel zu sein, noch die zentrale konstituierende Eigenschaft einer Währung, nämlich Vertrauen. Ein sich abzeichnender Vertrauensverlust in die Leitwährung der Welt war es, die Richard Nixon die Flucht nach vorn antreten ließ. Denn die Zusicherung, jederzeit 35 US-Dollar gegen ein Feinunze Gold eintauschen zu können, wäre nicht mehr lange zu halten gewesen.

Die zur Kriegsfinanzierung in Korea und Vietnam und zur militärischen Aufrüstung gestiegene Staatsverschuldung wie auch die höhere Inflation hatten den USA fortlaufend Zahlungsbilanzdefizite beschert, in deren Folge die Handelspartner ihre wachsenden Dollarreserven in Gold tauschten. Die Goldbestände der USA, wo 1945 noch über 70% des Weltbestandes lagerten, schmolzen laufend ab, zumal die militärische Präsenz und die Investitionen von US-Konzernen in Europa zum steten Quell von Dollarüberschüssen wurden. Nur die Deutsche Bundesbank musste damals aus politischen Gründen gute Miene zum bösen Spiel machen: sie erduldete die importierte Inflation und häufte brav Dollarreserven an, ohne sie in Gold zu tauschen wie beispielsweise Frankreich.

Wie groß deswegen die Nervosität auf amerikanischer Seite bereits in den späten 1960er Jahren war, dokumentiert der sogenannte Blessing-Brief, in dem der damalige Bundesbankpräsident Karl Blessing dem Federal-Reserve-Board-Vorsitzenden William Martin zusicherte, von einem massenhaften Umtausch von Dollar in Gold abzusehen. Was im Brief euphemistisch als Beitrag zur internationalen monetären Kooperation beschrieben wurde, war faktisch Gegenleistung für die unveränderte Stationierung amerikanischer Truppen in Deutschland – was Blessing später auch einräumte. In der Folge glaubten US-Regierung und Fed, jedes Defizit finanziert zu bekommen, und etablierten die Politik des „benign neglect“. Doch diese Missachtung der ökonomischen Gesetze setzte den Dollar weiter unter Druck, der im Frühjahr 1971 immer häufiger am unteren Interventionspunkt landete. Als die Bundesbank im Mai 1971 für 22 Mrd. D-Mark Dollar aufkaufen musste und der damalige Wirtschaftsminister Karl Schiller die vorübergehende Freigabe des D-Mark-Wechselkurses verkündete, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis das System von Bretton Woods zusammenbrechen sollte.

Fiat-Geld nicht das Problem

Den Romantikern, die in einer Rückkehr zur Goldbindung die Lösung der währungspolitischen Probleme und ein Ende des „Gelddruckens“ durch die Notenbanken sehen, sollte beim Blick auf die Historie klar werden, dass der Wert von Währungen sich dauerhaft an nichts binden lässt und am Ende allein vom Vertrauen in die Stabilität einer Währung respektive Finanzpolitik eines Landes oder einer Währungsgemeinschaft abhängt. Der innere und äußere Wert einer Währung wie übrigens auch die Entwertung sprich Inflation entsteht zuvorderst im Kopf, nämlich den Erwartungen der Menschen und Marktteilnehmer. Wenn, wie aktuell, durch externe Schocks ausgelöste Preissteigerungen als vorübergehend eingeschätzt werden und nicht eine Lohn-Preis-Spirale auslösen, bleibt der Geldwert stabil. Und so hatten die Wirtschafts- und Finanzkrisen seit Abschaffung der Goldbindung ihre Ursache auch nicht im (nicht an Sachwerte gebundenen) Fiat-Geld. Grund für die Krisen war durchweg eine exzessive Schuldenpolitik von entweder Staaten oder Unternehmen oder privaten Haushalten und die Befürchtung oder Erfahrung der Gläubiger, dass der Schuldner nicht mehr zahlen kann. Gewiss wurden diese Krisen von einer „bequemen“ sprich expansiven Geldpolitik häufig gefördert oder erst ermöglicht. Andererseits hat das „Gelddrucken“ auch die Krisenbekämpfung oft erst ermöglicht und eine Eskalation verhindert, wie beispielsweise das Quantitative Easing in der Finanzkrise. Dass der Exit aus der lockeren Geldpolitik zu spät oder gar nicht erfolgt ist, liegt nicht am Fiat-Geld an sich, sondern ist das Versagen jener Notenbanker, die ähnlich wie Mephisto im Faust versprachen: „Ich schaffe, was ihr wollt, und schaffe mehr.“

Verantwortung besser verteilt

Das Ende der Goldbindung des Dollars vor 50 Jahren hat den Notenbanken – und den oft hinter ihnen stehenden Regierungen – zwar die Möglichkeit zum grenzenlosen Gelddrucken eröffnet, aber auch die alleinige Verantwortung für die währungspolitische Stabilität in der Welt von der US-Notenbank auf mehrere große Notenbanken und Reservewährungen verteilt. Am Ende bestimmen die Regierungen den Rahmen, in dem sich Währungen entwickeln und Geld seine volkswirtschaftliche Funktion erfüllen kann. Das gilt gleichermaßen für Goldwährungen, Fiat-Geld oder künftig digitales Geld.

c.doering@boersen-zeitung.de

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