Adler und KPMG

Angespannte Beziehung

KPMG Luxembourg hat der angeschlagenen Adler Group das Testat für den Jahres­abschluss 2021 verweigert. Die Strenge der Wirtschaftsprüfer ist gerechtfertigt.

Angespannte Beziehung

Mit dem fehlenden Testat für den Jahresabschluss 2021 hat das Drama um den Wohnimmobilienkonzern Adler Group einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Das angeschlagene Unternehmen steht vor einer ungewissen Zukunft. Nur durch den Verkauf von Substanz kann sich die in Luxemburg ansässige Gesellschaft über Wasser halten. Der Weg an die Bank- und Kapitalmärkte ist versperrt, das Vertrauen des Aktienmarkts und – noch wichtiger – der Bondhalter komplett dahin. Auch das Verhältnis zum Wirtschaftsprüfer ist zerrüttet.

Den Stein ins Rollen brachte im vergangenen Herbst Viceroy Research, ein Vehikel des Shortsellers Fraser Perring. Die daraufhin in Auftrag gegebene Sonderprüfung sollte den Be­freiungsschlag bringen. Doch daraus wurde nichts. Das Gutachten klärt zwar einige Punkte, aber viele bleiben offen. Bei diversen wichtigen Themen kommen die Forensiker von KPMG Deutschland zu keiner klaren Beurteilung. Denn die Vorwürfe könnten an­hand der vorgelegten Un­terlagen oder aufgrund fehlender Nachweise weder verifiziert noch widerlegt werden. Eine Gesamtbewertung fehlt. Das ist ein unbefriedigendes Ergebnis für ein Gutachten, das 4 Mill. Euro gekostet hat.

Zu den Ursachen gehört, dass die Prüfungsthemen sehr breit gefasst waren und die Untersuchung im April fertig sein musste, um die Deadline für den Jahresabschluss, den 30. April, zu halten. Ansonsten hätte Adler die Covenants für 4,4 Mrd. Euro Anleiheverbindlichkeiten gerissen. Eine ganz entscheidende Rolle spielt aber, dass Adler als vertraulich eingestufte E-Mails und Dokumente vorenthalten hat. Wie stichhaltig die juristischen Gründe – Stichwort Klagerisiken – im Einzelfall jeweils sind, lässt sich von außen kaum beurteilen. Doch entsteht sofort der Verdacht, dass die zurückgehaltenen Mails Informationen enthalten, die nicht ans Licht kommen sollen. Hier tut mehr Aufklärung not. Wer ein Sondergutachten in Auftrag gibt, sollte Wege finden, zeitnah und umfassend benötigte Informationen zur Verfügung zu stellen. Ansonsten torpediert man die selbst bestellte Prüfung.

Auch so manche Bemerkung der Prüfer zum Projektgeschäft wirft Fragen auf. KPMG moniert beispielsweise, die Dokumentation der Ist-Kosten sei nicht prüffähig. Kostendifferenzen seien trotz wiederholter Anforderung nicht geklärt worden. Solch ein Vorgehen behindert die Arbeit eines Sonderprüfers.

Der Versagungsvermerk im Jahresabschluss 2021 stammt ebenfalls von KPMG, diesmal von der Luxemburger Einheit. Da bestimmte Informationen nicht bereitgestellt worden seien, könne man sich kein Urteil bilden, erklären die Wirtschaftsprüfer – ein äußerst seltener Vorgang in der Unternehmenslandschaft. Den 2020er-Abschluss hatte KPMG Luxembourg noch durchgewunken, ebenso die Bilanzen der Vorgängergesellschaft Ado Properties.

Die Prüfer der als Netzwerk organisierten KPMG sind zu Recht verärgert über die unzureichende Versorgung mit Informationen. Sie können nur dann ein Testat erteilen, wenn sie sich ein vollständiges Bild gemacht haben. Adler Group wiederum schießt gegen die Prüfungsgesellschaft. KPMG Forensic habe sechs Monate gebraucht, um viele kleine Details auszugraben, aber kein umfassendes Bild geliefert, mosert der seit Februar amtierende Verwaltungsratschef Stefan Kirsten. Als „hanebüchen“ geißelt er Aussagen im Sonderprüfungsbericht zu den Projektentwicklungen, zieht die Kompetenz der Prüfer für diesen Bereich in Zweifel und spricht bei der Bewertung eines Immobilienprojekts in Düsseldorf-Gerresheim, das im Viceroy-Report eine große Rolle spielt, von einem „offenen Dissens“. Solche Äußerungen stellen einen Frontalangriff dar. Man darf gespannt sein, ob das professionelle Verständnis beider Seiten ausreicht für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit oder ob sich die Wege trennen.

Nun kann man immer über Bewertungen streiten, aber es ist Aufgabe und Pflicht eines Wirtschaftsprüfers, sorgfältig in die Ecken und Winkel einer Bilanz zu schauen. Nach den Luftbuchungen bei Wirecard steht die Branche vor der Herausforderung, das gestörte Vertrauen von Investoren wiederherzustellen. Das rechtfertigt die Strenge der Prüfer, über die übrigens andere Unternehmen ebenfalls stöhnen. Sie ist auch im Interesse der Konzerne, weil sie die Glaubwürdigkeit der Jahresabschlüsse erhöht. Ebenfalls gefordert ist die Finanzaufsicht BaFin. Die Behörde prüft die Adler-Bilanz seit August. Das Resultat steht aus. Doch nicht nur Sorgfalt ist wichtig, auch Geschwindigkeit. Der Kapitalmarkt wartet auf Klärung.

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