LeitartikelEuropas Anleihen als sicherer Hafen

Anleger sehen in Europas Bonds den sicheren Hafen

Anleger gehen aus US-Staatsanleihen heraus, die Treasuries verlieren ihren Status als sicherer Hafen. Profitieren könnten Anleihen aus Europa.

Anleger sehen in Europas Bonds den sicheren Hafen

Anleihemärkte

Europa als sicherer Hafen

Von den Kapitalabzügen aus den US-Staatsbonds könnten Anleihen europäischer Adressen profitieren.

Von Kai Johannsen

Seit dem Liberation Day, an dem US-Präsident Donald Trump den Zollhammer ausgepackt hat und dem Rest der Welt den Handelskrieg erklärte, ist es an den Finanzmärkten zu heftigen Bewegungen gekommen. Ob diese Verschiebungen nachhaltig sein werden, lässt sich verständlicherweise noch nicht abschließend sagen. In früheren Krisen, die in den Anfangstagen des Zollstreits vielleicht noch als Vorbild herangezogen wurden, verliefen die Verschiebungen folgendermaßen: Wenn Anleger risikobehaftete Assets mieden, wurden sichere Häfen angesteuert. Also raus aus Aktien, rein in sichere Staatsanleihen. Und dabei wurden US-Staatsanleihen und Bundesanleihen in erster Linie als Hort der Sicherheit angesehen.

Genau das lässt sich so nicht mehr beobachten. Jedes Mal, wenn Trump in diesen Tagen heftige Töne anschlug und Aktien in die Knie gingen, war zu registrieren, dass zwei sichere Häfen aufgesucht wurden: die Bundesanleihen und Gold. Die Renditen der Bundeswertpapiere gingen damit in den Sinkflug über. Bei zweijährigen Titeln ging es bis auf 1,66% herunter (fast 70 Basispunkte gemessen am diesjährigen Hoch), bei zehn Jahren bis auf 2,44% (minus 44 BP) und bei 30 Jahren Laufzeit bis auf 2,85% (minus 35 BP). Der Goldpreis setzte zum Höhenflug an. Bis auf 3.357 Dollar ging es in London dieses Jahr schon nach oben.

Ebenfalls zu beobachten war, dass der Bondprimärmarkt an sehr volatilen Handelstagen praktisch komplett geschlossen war. Emittenten zogen es vor, bei den heftigen Bewegungen lieber erstmal an der Seitenlinie zu verharren, um bei neuerlichen Äußerungen aus dem Weißen Haus mit einem gerade angesetzten Bond-Deal nicht Schiffbruch zu erleiden. Das ist mehr als nachvollziehbar.

Und wenn der Anleiheprimärmarkt dann in den vergangenen Tagen, als es im Zollstreit mal ruhiger zuging, seine Pforten wieder öffnete, waren es die sicheren Namen, die den Markt wieder in Gang brachten. So kam etwa die Europäische Union (EU) mit Bonds oder auch Italien. Und bei diesen Papieren wurde seitens der Investoren dann beherzt zugegriffen. Die EU erzielte für zwei Tranchen Orders für 49 bzw. 40 Mrd. Euro. Die Bondvolumina von 3 und 5 Mrd. Euro waren somit problemlos zu realisieren. Das ist für dieses Marktumfeld mehr als beachtlich. Bei Italien waren es für zwei Anleihetranchen Orders von mehr als 50 und mehr als 53 Mrd. Euro. Das ist für das hoch verschuldete Italien auch mehr als bemerkenswert.

Und damit könnte sich schon eine erste Tendenz im Anlegerverhalten resümieren lassen, und zwar worin Anleger Sicherheit sehen. Unstrittig ist das für die Bundesanleihen. Der Bund ist der Benchmarkemittent der Eurozone, seine Kreditwürdigkeit liegt weiterhin bei Triple-A. Das ist in der Eurozone ansonsten nur noch bei Luxemburg und den Niederlanden der Fall. Und diese drei Staaten dürften so schnell auch nicht ihre Top-Note bei den Ratingagenturen verlieren. Und so wird auch weiterhin der Bund profitieren, wenn es zu Verwerfungen bei Risiko-Assets wie Aktien kommt. Aber auch andere Eurozone-Staaten, darunter nun auch Italien, werden aufgesucht, um Gelder sicher anzulegen. Die EU ist offenkundig auch ein sicherer Hafen, wie die hohe Orderflut unterstreicht. Und damit dürfte auch der Druck auf Indexanbieter zunehmen, die EU künftig nicht mehr im SSA-Segment (Supranationale Adressen, Gebietskörperschaften – Sub-Sovereigns – und Agencies), sondern als Super-Sovereign einzustufen, also in Indizes für Staatsanleihen zu integrieren. Investoren sehen das am Markt längst so, und die Flucht in EU-Bonds unterstreicht dies ja nur.

Und was verliert – zumindest aus derzeitiger Sicht – seinen Status als sicherer Hafen? Das scheinen die US-Treasuries zu sein. Anleger ziehen sich aus US-Assets zurück, US-Staatsbonds fanden sich in den vorigen Tagen nur allzu häufig auf den Verkaufslisten wieder. Die Renditen erlebten die größten Renditesprünge nach oben seit Jahrzehnten. Und wenn der Zollstreit noch weiter eskaliert, könnte hier das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht sein. Das Umschichten von chinesischen und japanischen Adressen könnten zugunsten europäischer Anleihen erfolgen. Bund, EU und Eurozone-Staaten wird’s freuen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.