Lufthansa

Auf den Spuren des Sisyphos

Die strategische Transformation werde durch die Krise beschleunigt, wird vom Lufthansa-Management stets betont, der große Wurf lässt indes weiter auf sich warten.

Auf den Spuren des Sisyphos

Die Legende erzählt von Sisyphos, der als Strafe dafür, dass er dem Tod ein Schnippchen geschlagen hatte, dazu verdammt war, einen Felsbrocken einen Berg hinaufzurollen. Oben angekommen, rollte der Brocken wieder hinunter, und die Mühsal begann von Neuem. Ähnlich ergeht es derzeit vielen europäischen Fluggesellschaften: Zwar wurde – oftmals mit staatlicher Unterstützung – eine Pleite vermieden, aber Monat für Monat reißen neue Löcher auf, weil Flugverkehr nach wie vor nur rudimentär stattfindet und Liquidität verbrennt. Um die Löcher zu stopfen, wird nach weiteren staatlichen Finanzhilfen gegriffen, der Kapitalmarkt angezapft oder es werden Unternehmensteile versilbert. Die Aussicht auf Besserung keimt immer wieder auf und zerschlägt sich genauso schnell wieder. Gerade richtet sich alle Hoffnung auf die Sommersaison. Finanziell haben die meisten Unternehmen das laufende Jahr längst abgeschrieben, 2022 soll es endlich besser werden – hoffentlich.

Das Krisenmanagement bei den meisten Airlines be­schränkte sich in den vergangenen Monaten darauf, zusätzliche Liquidität zu beschaffen und die Ausgaben möglichst unter Kontrolle zu halten. Die Lufthansa beispielsweise hat sich in erster Linie eine Schrumpfkur verordnet, weil mittelfristig nicht mit einer Rückkehr auf das Vorkrisenniveau gerechnet wird. Teilflotten werden dauerhaft aus dem Verkehr gezogen, Unternehmensteile ins Schaufenster gestellt und die Belegschaft um ein Fünftel zusammengestrichen. Die strategische Transformation werde durch die Krise beschleunigt, wird vom Lufthansa-Management zwar zudem stets betont, der große Wurf lässt indes weiter auf sich warten.

Strategisch und auch hinsichtlich der Kosten wäre es beispielsweise angeraten, den Zubringerverkehr auf der Kurzstrecke komplett an die günstiger produzierende Tochter Eurowings auszulagern. Doch diesen Schritt scheut das Management nach wie vor, auch, weil die Auseinandersetzung mit den Piloten gefürchtet wird. Doch wenn nicht jetzt, wann dann? Zumal es so oder so eine harte Auseinandersetzung mit den Flugzeugführern geben dürfte, wenn ernsthaft über mögliche Entlassungen und/oder neue Arbeitszeitmodelle für die Zeit nach der Krise gesprochen wird.

Strategisch ebenfalls zumindest fragwürdig ist das Ausrufen des touristischen Geschäfts als neuer Heilsbringer. Dem privaten Reiseverkehr werden zwar eine schnellere Erholung und erfreulichere Wachstumsperspektiven vorausgesagt als dem Geschäftsreiseverkehr. Allerdings konkurrieren Netzwerk-Carrier wie Lufthansa oder Air France-KLM in diesem Sektor mit deutlich günstiger produzierenden Fluglinien wie Ryanair, Easyjet oder auch Condor. Diese können, um Deckungsbeiträge und mehr zu generieren, mit deutlich günstigeren Preisen auf Kundenfang gehen – und darauf schaut der Urlaubsreisende viel mehr als der Geschäftskunde.

Margenschwund dürfte also programmiert sein, zumal auch das Geschäftsreisesegment unter Druck sein wird, wenn es wieder anläuft. Denn auch Unternehmen schauen auf die Kosten und werden nicht mehr bereit sein, jeden Ticketpreis für eine Dienstreise zu bezahlen. Auch im Geschäfts- und Langstreckengeschäft ist die Konkurrenz groß, was schon vor der Coronakrise die Ticketpreise kräftig unter Druck gesetzt hatte. Noch ist zudem nicht absehbar, wann genau in nennenswertem Umfang etwa wieder Transatlantikrouten geflogen werden können. Erste positive Lockerungssignale gab es zwar von den politisch Verantwortlichen, diesen folgten aber bisher keine Taten.

Den Neustart nach der Coronavirus-Pandemie belasten werden die in den vergangenen Monaten aufgehäuften Schulden. Sie waren nötig, um den Fluglinien das Überleben zu sichern, aber sie sind eine schwere Bürde für die kommenden Jahre. Es zeichnet sich immer mehr ab, dass die Unternehmen kräftig investieren müssen, um etwa den mehr und mehr aufkommenden Umweltauflagen gerecht werden zu können. Neues Fluggerät ist meistens treibstoffeffizienter und damit umweltschonender, aber die Anschaffung muss man bezahlen können. Vor diesem Hintergrund hat die Lufthansa zuletzt zu Recht in neue Flugzeuge investiert, obwohl die Nettoverschuldung bei fast 11 Mrd. Euro liegt und Cash-flow derzeit nicht generiert wird. Schmackhaft gemacht wurde das der Airline sicher mit üppigen Preisnachlässen, da die Hersteller über Monate kaum neue Aufträge eingefahren haben. Solche Gelegenheiten gilt es weiter zu nutzen.