Auf Messers Schneide
Schwache Märkte, fehlende Liquidität, die Finanzaufsicht im Nacken und noch immer kein Abschlussprüfer – beim Wohnimmobilienkonzern Adler Group brennt es an vielen Stellen. Allein die zum Überleben notwendige Kapitalrestrukturierung nach englischem Recht ist so komplex, dass es schwerfällt, sich Durchblick zu verschaffen. Klar ist: Bis Ende April muss das Paket in trockenen Tüchern sein. Ansonsten können Bondholder gemäß den derzeit noch geltenden Anleihebedingungen ihre Forderungen fällig stellen, weil kein geprüfter Abschluss für 2022 vorliegt. Das Verfahren steht also unter großem Zeitdruck, auch weil Gegner eines Vergleichs sich juristisch zur Wehr setzen könnten.
Geht alles glatt, erhält Adler einen neuen Kredit und kann die Ende April fällige Anleihe der Tochter Adler Real Estate zurückzahlen. Dann hätte der Konzern ein Etappenziel erreicht, wenngleich die sündhaft teure neue Fremdfinanzierung, welche die Bondholder bereitstellen, mit der jüngsten Änderungsvereinbarung noch mehr Geld verschlingt.
Doch neben den Bondholdern, die derzeit im Fokus stehen, gibt es weitere Geldgeber, die mitspielen müssen. Auch diese bilateralen, meist mit Sicherheiten unterlegten Vereinbarungen müssen wohl angepasst werden. Bricht ein wichtiger Gläubiger aus, droht das ganze Restrukturierungsgebilde zu kippen. Das mit einer Kerngruppe von Anleihegläubigern vereinbarte Rettungspaket betrifft ein Volumen von 3,2 Mrd. Euro. Die Gesamtsumme aus Anleihen, Wandelschuldverschreibungen und sonstigen Darlehen ist gut doppelt so hoch. Das Druckmittel, um Gläubiger bei der Stange zu halten, lautet Pleite. Dann würde der Insolvenzverwalter die Assets verwerten, was angesichts der Flaute auf dem Transaktionsmarkt nur mit deftigen Preisabschlägen möglich wäre.
Dreh- und Angelpunkt bleibt die bislang noch immer erfolglose Suche nach einem Wirtschaftsprüfer. Die Fristverlängerung für die Veröffentlichung geprüfter Abschlüsse bis Ende September 2024 verschafft Adler einen Zeitgewinn nicht nur für die 2022er-, sondern auch für die 2023er-Bilanz. Er kann hilfreich sein, um mit einem potenziellen Prüfer den Umgang mit den zurückgehaltenen 800 000 Dokumenten, über die es zum Zerwürfnis mit dem bisherigen Prüfer KPMG kam, zu klären. Auch könnte es zwischenzeitlich weitere Klarheit geben zu den laufenden Bilanzprüfungen der Finanzaufseher. Ob das ausreicht, tatsächlich einen Abschlussprüfer an Bord zu holen, ist allerdings ungewiss. Bisher hat man den Eindruck, dass die Branche dieses Mandat fürchtet wie der Teufel das Weihwasser. Zu groß erscheinen ihr mögliche Haftungsrisiken angesichts des Wirecard-Skandals.