Devisen

Auslands­investoren nutzen den Yen-Verfall

Den im Vergleich zum Dollar deutlich geschwächten Yen nutzen ausländische Adressen zum Kauf von japanischen Wohnimmobilien.

Auslands­investoren nutzen den Yen-Verfall

Von Martin Fritz, Tokio

Die Allianz Real Estate und ein kanadischer Partner wollen 2 Mrd. Dollar in japanische Wohnimmobilien investieren, und mehrere ausländische Private-Equity-Giganten wie Bain Capital und CVC Capital Partners bereiten die Übernahme von Toshiba für geschätzte 22 Mrd. Dollar vor. Die zwei Nachrichten hängen zusammen: Die Investoren nutzen den Wertverfall des Yen, um preisgünstig an japanische Assets zu kommen.

Die japanische Währung verlor binnen eines Jahres 20% zum Dollar und fiel auf ein 24-Jahres-Tief, zum Euro gab der Yen 10% nach. Die Abwärtsbewegung könnte durchaus anhalten. Einige Analysten sagen eine weitere Abwertung um 20% zum Dollar vorher. Denn japanisches Kapital wandert in die USA ab. Dort werfen 10-jährige Staatsanleihen über 3% ab, japanische Staatspapiere dieser Laufzeit bringen nur 0,25% ein. Doch das Federal Reserve Board plant weitere Zinsschritte, dagegen hält die Bank of Japan die Anleihekurse durch gezielte Käufe niedrig. Der Renditeabstand wird also noch wachsen, was den Yen noch stärker unter Druck setzen dürfte.

Die Kombination aus Weichwährung und Niedrigzinsen verschafft ausländischen Investoren eine historisch seltene Kaufchance für japanische Vermögenswerte. Denn mit ihrem Währungsvorteil können sie lokale Mitbewerber überbieten. Noch besser: Wer den Hebel erhöhen will, verschuldet sich auch noch in Yen: Solches Fremdkapital kostet in Japan wegen der Nullzinsen fast nichts. Ein 35-jähriger Hypothekenkredit zum Beispiel wird derzeit variabel unter 1% verzinst. Deswegen erlebt der Yen-Carrytrade auch ein Comeback. Man nimmt einen Yen-Kredit auf und legt das Geld in einer höher rentierenden Währung an.

Aber eine Investition in japanische Assets bringt eine relativ sichere Rendite ein. Die Investmentbank Nomura erwartet jedenfalls eine Welle von ausländischen Übernahmen in Japan. Sollte die Privatisierung von Toshiba gelingen, stünde ein Paradigmenwechsel an, meint Nomura-Chef Kentaro Okuda. Dann würden auch Familienunternehmen, die keinen Führungsnachfolger finden, an Ausländer verkaufen.

Doch die größte ausländische Nachfrage zeichnet sich bei Wohnimmobilien ab. Im internationalen Vergleich erzielen sie seit Jahren solide Renditen. Selbst während der Pandemie stiegen die Transaktionen in diesem Sektor, während Büro-, Retail- und Hotelobjekte deutlich weniger gehandelt wurden. Bereits im Dezember hoben die Immobiliensparte der Münchner Allianz und das kanadische Real-Estate-Schwergewicht Ivanhoé Cambridge einen geschlossenen Fonds mit 2 Mrd. Dollar Kapital in Singapur aus der Taufe, um Neubauwohnungen in den Bestlagen von Tokio, Osaka, Nagoya und Fukuoka zu kaufen. Ende März erwarb die Allianz die ersten zwölf Häuser mit 250 Wohnungen für den Fonds und zahlte dafür 90 Mill. Dollar. Der schwache Yen machte das Investment attraktiver.

Allerdings erkennen immer mehr Investoren diese Chance und drängen mit Hilfe von lokalen Partnern auf den Markt. Auch der chinesische Versicherungskonzern Ping An, der Singapurer Fonds QIP, der französische Versicherer AXA, der US-Risikokapitalgeber Blackstone und der Staatsfonds aus Qatar erwarben in den vergangenen Monaten japanische Wohnobjekte. Bereits während der Pandemie 2020/21 stieg der ausländische Anteil an Immobilien-Transaktionen in Japan laut CBRE um sechs Punkte auf 30%. Aber das Volumen im ersten Quartal 2022 von 150 Mrd. Yen (1,05 Mrd. Euro) überstieg das Vorjahresergebnis um das Doppelte. Daran dürften die Ausländer stark beteiligt gewesen sein.

Ihre Nachfrage treibt allerdings die Einkaufspreise hoch und drückte die Renditen bereits auf 3,5 bis 3,8%. Dadurch kommen die börsennotierten Immobilienfonds (J-Reits), die mit einer Mindestrendite von 4% kalkulieren, nicht mehr zum Zug. Auch die Allianz musste bei ihrem Deal Ende März bereits relativ hohe 12000 Dollar je Quadratmeter zahlen. Die Entwicklung beruht auch darauf, dass anders als bei Büros nur wenige große Wohnobjekte zum Verkauf stehen. Wer viel Kapital anlegen will, muss daher ein Portfolio übernehmen und dafür einen zusätzlichen Aufschlag akzeptieren.

Dennoch scheint das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht zu sein. Mitte März schluckte der US-Beteiligungsfonds KKR für umgerechnet 1,6 Mrd. Euro einen der größten japanischen Assetmanager für Immobilien. Das Gemeinschaftsunternehmen des Handelshauses Mitsubishi und der Schweizer UBS gehörte zu den Pionieren für J-Reits und verwaltet heute ein Immobilienvermögen von 12 Mrd. Euro. „Mit der Übernahme signalisiert KKR, dass man mit einem starken Wachstum dieser Vermögenswerte in Japan rechnet“, erläutert Leonard Meyer zu Brickwedde. Der deutsche Experte legte 2017 den ersten Japan-Wohnimmobilien-Fonds in Deutschland auf und sammelt seit dem Jahresanfang mit seiner Neugründung Kensho Investment Kapital für einen zweiten Fonds in dem Sektor.

Meyer zu Brickwedde betrachtet die Yen-Schwäche ebenfalls als Gelegenheit. Die Hälfte ihres Kapitals sollten Investoren zum Einstiegswechselkurs absichern und bei der anderen Hälfte auf eine Kurskorrektur setzen, meint der Wahl-Tokioter. Die japanische Währung sei historisch gesehen fundamental unterbewertet, so dass eine Gegenbewegung wahrscheinlich sei, etwa wenn der US-Zinszyklus seinen Scheitelpunkt erreicht. „Wie die Vergangenheit gezeigt hat, kann eine solche Korrektur rasant verlaufen“, sagt Meyer zu Brickwedde. „Wer als Euro-Anleger jetzt in Yen investiert, könnte auf mittlere Sicht also lukrative Währungsgewinne als Bonus mitnehmen.“

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