Im BlickfeldAutoantriebe in der Diskussion

Die Elektromobilität steckt fest

In Europa kommen Elektroautos im Markt nicht mehr voran. Ihr Anteil sinkt. Der Verband VDA macht sich für E-Fuels stark. Doch Branchenexperten wie Ferdinand Dudenhöffer bezweifeln den Nutzen dieser synthetischen Kraftstoffe.

Die Elektromobilität steckt fest

Die Elektromobilität steckt fest

In Europa kommen E-Autos im Markt nicht mehr voran. Der Verband VDA macht sich für E-Fuels stark. Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer hält davon nichts.

Von Joachim Herr, München

Hildegard Müller hat nochmals einen Vorstoß unternommen. Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA) plädiert für Technologieoffenheit auf dem Weg zu einem klimaneutralen Straßenverkehr. In der EU soll dieses hehre Ziel im Jahr 2045 erreicht sein. Ein wichtiges Element für Müller sind „erneuerbare Kraftstoffe“. So werden Kraftstoffe bezeichnet, die eine Einsparung von Treibhausgasen um mindestens 70% möglich machen. Dazu zählen Biokraftstoffe, Wasserstoff und E-Fuels.

E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, die mit Energie aus erneuerbaren Quellen wie Sonne und Wind hergestellt werden. Der VDA mahnt, erneuerbare Kraftstoffe würden auch in einem optimistischen Szenario dringend benötigt. Müllers Rechnung: „Selbst wenn das Ziel der Bundesregierung von 15 Millionen E-Autos bis 2030 erfüllt wird, fahren dann immer noch mindestens 40 Millionen Pkw und Lkw mit Verbrennungsmotoren auf deutschen Straßen.“

Hybrid-Pkw legen stark zu

Mitte dieses Jahres waren erst etwas mehr als 1,5 Millionen Pkw mit reinem Batterieantrieb (BEVs) in Deutschland zugelassen. Hinzu kommen rund 1 Million Plug-in-Hybride – Autos mit einer Kombination von Verbrennungsmotor und Elektroantrieb.

Die Wachstumskurve für Elektroautos hat sich in Europa stark abgeflacht. In Deutschland zeigt sie sogar steil nach unten, seit die Bundesregierung im vorigen Dezember die staatliche Kaufprämie überraschend abgeschafft hat. Im Juli fiel die Zahl der Neuzulassungen von BEVs hierzulande um knapp 37% im Vergleich mit dem Vorjahresmonat.

Deutschland ist nicht allein mit dieser Entwicklung. In zwölf EU-Ländern ging der Anteil der BEVs an den Neuzulassungen im Juli zurück. Die Quote lag laut der Statistik des europäischen Herstellerverbands Acea nur noch bei etwa 12%. Ein Jahr zuvor waren es 13,5%. Auch Benzin- und Dieselmotoren haben verloren, während sich die Neuzulassungen von Hybrid-Pkw im Juli um fast 26% und in den ersten sieben Monaten dieses Jahres um rund 23% erhöht haben.

Diskussion um Verbrenner-Verbot

Mit einem Anteil von 32% haben die Hybriden die Benziner fast eingeholt und stehen in der EU klar an zweiter Stelle. Diese Fahrzeuge verbinden Verbrennungsmotor und Batterie, die während der Fahrt mit Bremsenergie und nicht an Stationen aufgeladen wird. Die sogenannte Reichweitenangst, die viele vor dem Kauf eines E-Autos abschreckt, spielt für diese Kategorie deshalb keine Rolle.

Für das stark nachgelassene Interesse an den BEVs nennt Constantin Gall, Autoexperte des Beratungsunternehmens EY, noch einen anderen Grund: „Die neu entfachte europaweite Diskussion über eine mögliche Anpassung des Verbrenner-Verbots ab 2035 sorgt für Verunsicherung auf Seiten potenzieller Käufer.“

Eine ratlose Branche

Ferdinand Dudenhöffer, der seit vielen Jahren die Autobranche beobachtet, analysiert und kommentiert, kann sich richtig echauffieren, wenn er auf die Debatte um den Plan der EU für 2035 und um E-Fuels angesprochen wird: „Wenn die Politiker den Verbrennungsmotor in den Himmel loben, warum sollten dann Menschen E-Autos kaufen?“ Der 73 Jahre alte streitbare Experte, von manchen ehrfürchtig als Autopapst bezeichnet, hat nach wie vor sein Ohr an der Branche: „Die Autobauer und die Zulieferer sind ratlos.“

Die Industrie vermisst Planungssicherheit. Oliver Blume, der Vorstandsvorsitzende von Volkswagen und Porsche, sagte vor kurzem in einem Interview der Zeitung „Welt am Sonntag“: „Die Autoindustrie ist langzyklisch und braucht verbindliche Regelungen.“ Notwendig sei eine Gesetzgebung, die klar in Richtung Elektromobilität geht. Nach wie vor hat Blume eine Sympathie für E-Fuels, erkennt in ihnen aber allenfalls ein Kraftstoff für Nischen wie den Porsche 911.

Investoren gesucht

Auch nach Dudenhöffers Ansicht reicht die Menge an E-Fuels für eine großflächige Versorgung von Pkw keinesfalls aus. „Außer einigen Pilotanlagen existiert noch gar nichts.“ Porsche zum Beispiel betreibt als Hauptabnehmer mit Siemens Energy eine Produktion von E-Fuels in Chile.

„Man müsste erst Investoren finden und überzeugen, eine neue Industrie mit großen Anlagen aufzubauen“, meint Dudenhöffer. „Das werden nicht viele machen.“ Der VDA fordert deshalb die Politik auf, Anreize zu schaffen. Zudem solle die Mineralölindustrie verpflichtet werden, verstärkt Alternativen zu Diesel und Benzin anzubieten. Als Instrument, um dies durchzusetzen, soll die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU dienen. Diese muss bis Mai des nächsten Jahres als nationales Recht wirksam sein. Die Mineralölindustrie verlangt allerdings eine staatliche Förderung, etwa in Form einer Steuerentlastung.

Damit sind die Nachteile von E-Fuels noch nicht aufgezählt. „Die Effizienz und die Energiebilanz sind grausig schlecht“, moniert Dudenhöffer. „Am Rad kommen nur etwa 20% der aufgewendeten Energie für die Produktion von E-Fuels an.“ Abgase entstehen überdies nach wie vor. „Außerdem ist der Motor viel lauter als der von Elektroautos.“

Millionen Wähler und der ADAC

Hinzu kommt der hohe Preis von E-Fuels. Dudenhöffer gibt zu bedenken: „Man müsste den normalen Sprit mit Steuern stark verteuern, damit E-Fuels überhaupt getankt werden.“ Das würde aus seiner Sicht kein Politiker wagen. „Andernfalls würde er Millionen von Autofahrern und Wählern gegen sich aufbringen – und den ADAC.“

Von all der Aufregung zeigt sich Ola Källenius, der Vorstandsvorsitzende von Mercedes-Benz, unbeeindruckt: „Der Zielbahnhof für Mercedes-Benz ist null Emission“, sagte er vor kurzem in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Daran änderten alle Diskussionen über das Jahr 2035 als Enddatum für neue Verbrennerautos in der EU nichts. „Wir haben nicht Geschwindigkeit herausgenommen, was unsere Elektro-Offensive betrifft.“

„Zahlen, Daten, Fakten“

Klar, die Marktdynamik sei geringer, als die meisten in der Branche vor vier Jahren geglaubt hätten. Doch Mercedes-Benz habe flexible Werke. Und in Bezug auf das Ausstiegsjahr 2035 erinnert Källenius an die von der EU angekündigte Überprüfung der Ziele in zwei Jahren: „Das sollte man dann anhand von Zahlen, Daten, Fakten machen.“ Ein rationaler Wunsch für ein emotional aufgeladenes Thema.

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