Preisverhandlungen

Autozulieferer unter Druck

Der starke Anstieg der Kosten für Rohstoffe, Material und Energie lastet auf den Zulieferern schwerer als auf den Fahrzeugherstellern. Denn ihre Preissetzungsmacht ist kleiner. Aber sie wehren sich.

Autozulieferer unter Druck

Von Joachim Herr, München

Die Automobilzulieferer zeigen ihre Zähne. Denn nicht nur Autos sind knapp, auch manche Komponenten, die in den Fahrzeugen verbaut werden. In einer anscheinend relativ starken Position gegenüber den Herstellern ist zum Beispiel Vitesco Technologies. Das Regensburger Unternehmen für Antriebstechnik, abgespalten von Continental, versucht, mindestens 80% des Kostenanstiegs für Rohstoffe, Material, Energie und Transport an die Kunden weiterzugeben. „Wir sind noch nicht ganz auf diesem Niveau“, sagte vor kurzem Finanzvorstand Werner Volz. Aber er sei zuversichtlich, es zu erreichen.

Vorstandschef Andreas Wolf scheut sich nicht davor, im Vertrieb selektiv zu sein: Wenn sich Kunden am Kostenanstieg nicht beteiligen würden, verkaufe Vitesco die Teile denjenigen, die ihren Beitrag leisteten. „Wir sind da auf einem guten Weg“, fügte Wolf hinzu. „Mit dem einen oder anderen werden wir das Thema noch intensiver besprechen.“

Wie Vitesco diskutieren auch andere Zulieferer gerade mit ihren Kunden. Rasche Lösungen sind gefragt: Viele Unternehmen der Branche stecken mitten in der Transformation zur Elektromobilität, einige investieren zusätzlich ins autonome Fahren. Hinzu kommen die Folgen der Corona-Pandemie, des Kriegs in der Ukraine und der scharfen Lockdowns in China sowie der Mangel an Halbleitern, der sich immer länger hinzieht, und andere Schwierigkeiten in den Lieferketten. Alles in allem stecken die Autohersteller diese Herausforderungen derzeit besser weg. Vor allem den Premiumherstellern wie Mercedes-Benz, BMW und Audi gelingt es, wegen der Knappheit höhere Preise für ihre Fahrzeuge durchzusetzen und die Gewinnmargen zu steigern oder zumindest hoch zu halten.

Zweigeteilte Branche

Die Analysten der Bayerischen Landesbank sprechen angesichts der unterschiedlichen Lage in der Branche von einer „Zweiteilung der Automobilindustrie“. Die europäischen Zulieferer ständen erheblich unter Druck, da den deutlich gestiegenen Kosten eine geringe Preissetzungsmacht gegenüberstehe. Ob die Verhandlungen über eine Nachbesserung der Preise die Zulieferer entlasten werden, ist nach Ansicht von BayernLB Research offen.

Befeuert hat die Diskussion über den Umgang mit den erheblich gestiegenen Kosten Michael Frick, der Interimschef von Mahle in Stuttgart. Er macht sich für eine faire Lastenverteilung stark und diagnostiziert eine Asymmetrie in der Profitabilität der Autohersteller und ihrer Zulieferer.

Fricks Aufruf zur Solidarität stößt zumindest öffentlich bisher auf wenig Resonanz. So reagierte Harald Wilhelm, der Finanzvorstand von Mercedes-Benz, kühl, als er in einer Telefonkonferenz darauf angesprochen wurde: Mercedes-Benz sei an stabilen Lieferketten gelegen. Aber für die Profitabilität sei jedes Unternehmen selbst verantwortlich. Wilhelm erinnerte an Zeiten, in denen die Zulieferer zweistellige Umsatzrenditen erzielt hätten, die Autohersteller nur einstellige. Nun ist die Situation eher umgekehrt.

Bosch erreichte im Autozulieferergeschäft Mobility Solutions als Größter der Branche im vergangenen Jahr eine operative Umsatzrendite von gerade einmal 0,7 %. Vor zwei Jahren war das Ergebnis vor Zinsen und Steuern sogar negativ gewesen. Damals fiel die Zahl der in der Welt produzierten Pkw, Lkw und Busse wegen der Pandemie zurück (siehe Grafik).

Jetzt spürt Bosch einen hohen Kostendruck. Für bestimme Rohstoffe, zum Beispiel für Flach- und Rundstahl, hätten sich die Preise seit 2020 etwa verdreifacht, berichtete Finanzchef Markus Forschner in der Jahrespressekonferenz Anfang Mai. „Nicht nur die Automobilhersteller, auch die Zulieferer sind darauf angewiesen, Preissteigerungen weiterzugeben“, fügte er hinzu. Aldo Kamper, der Vorstandsvorsitzende von Leoni, forderte auf der Hauptversammlung vor einer Woche eine faire Verteilung der Kosten und Risiken über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg: „Wir wollen mit unseren Kunden und Lieferanten Mechanismen weiterentwickeln, um Materialkostensteigerungen zu kompensieren.“

Seit langem ist es für Leoni Praxis, Preisveränderungen des wichtigen Rohstoffs Kupfer an die Kunden weiterzugeben – in beide Richtungen. Höhere oder niedrigere Preise für das Metall schlagen sich deshalb als durchlaufender Posten nur im Umsatz nieder, nicht im Ergebnis. Dieses Prinzip versucht Leoni auch für andere Materialien anzuwenden. Mit den Kunden würden darüber Gespräche geführt, berichtet ein Sprecher von Leoni.

Ein Verband als Vermittler

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) appelliert an „partnerschaftliche Zusammenarbeit, Fairness im Umgang und gemeinsames Agieren“ der Unternehmen. „Nur in einer Einheit aus starken, innovativen Herstellern, Zulieferern und Entwicklungsdienstleistern kann und wird die deutsche Autoindustrie im globalen Wettbewerb bestehen.“ Der VDA agiert als Vermittler zwischen den Unternehmen in der Diskussion über die Weitergabe des Kostenanstiegs – „im Rahmen des kartellrechtlich Möglichen“, wie der Verband betont. Näher will er sich über die Gespräche nicht äußern.

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