Kreditwirtschaft

Banken wälzen ihre Russland- und Ukraine-Risiken

Mit der Eskalation des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine rücken die entsprechenden Risiken der deutschen und europäischen Banken in den Fokus. Die BaFin wirft ein Auge auf die Ausreichungen an russische Adressen.

Banken wälzen ihre Russland- und Ukraine-Risiken

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

„Von einem strategischen Schritt, der sich langfristig auszahlen soll“, sprach Jürgen Fitschen, damals Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, als das Haus 2009 seine Repräsentanz in der Ukraine, mitten in der Finanzkrise, in eine Tochtergesellschaft umwandelte. Seit 13 Jahren bietet das Institut dort mit 35 Be­schäftigten seine Corporate-Banking-Dienste ukrainischen Unternehmen sowie Töchtern ausländischer Gesellschaften an – in der Regel handelt es sich dabei um strukturierte oder besicherte Handelsfinanzierungen.

Der zu eskalieren drohende Konflikt zwischen Russland auf der einen und der Ukraine bzw. dem Westen auf der anderen Seite soll daran nichts ändern. Das Exposure sei sehr überschaubar, und in unsicheren Zeiten bzw. bei entsprechend zunehmenden Kursschwankungen am Devisenmarkt nehme die Nachfrage nach Instrumenten der Handelsfinanzierung eher zu, erklärt ein Sprecher. Reduziert hat sich jedoch das Russland-Engagement. Während der Offenlegungsbericht per Ende 2020 gemäß fortgeschrittenem Modellansatz für die Ukraine eine Ausfallkredithöhe von netto 269 Mill. Euro ausweist, rund 70 Mill. mehr als Ende 2019, liegt das Exposure at Default in Russland mit 1,041 Mrd. knapp 30% unter dem Vorjahreswert. Ende Juni vergangenen Jahres entfielen laut DBRS Morningstar 0,2 % der Risikoaktiva im Konzern auf Positionen in Russland.

Angesichts der politischen und militärischen Eskalation wälzen Banken allerorten in Europa ihre Russland- und Ukraine-Risiken, um sie gegebenenfalls neu zu bewerten. Auch die Commerzbank, die ihre Aktivitäten in Russland und in der Ukraine in der 135 Beschäftigte zählenden Tochter Commerzbank Eurasia zusammenfasst, hat ihr Engagement zurückgefahren, wenngleich von höherem Niveau: Waren Ende 2020 noch 0,47 % des Gesamt-Exposures oder 2,7 Mrd. Euro auf Russland entfallen, so dürfte sich die Bank Ende 2021 Richtung 2 Mrd. Euro bewegt haben. Die Deutsche Bank wiederum hatte schon 2015 das lokale Investment-Banking-Geschäft in Russland nach herben Geldwäsche-Vorwürfen vollständig eingestampft.

Auch wenn die Engagements der beiden von der EZB beaufsichtigten Großbanken sich in Grenzen halten – die für die Masse der deutschen Institute zuständige Finanzaufsicht hat die Ohren gespitzt: „Die BaFin beobachtet die Entwicklungen zwischen Russland und der Ukraine aus bankaufsichtlicher Perspektive“, teilt die Behörde auf Anfrage mit. „Beispielsweise stehen Kreditbeziehungen zu russischen Kreditnehmern unter Beobachtung.“ Dabei dürften sich die Aufseher diesmal vor allem auf Informationen stützen, die das Meldewesen der Banken bereithält. Von Usancen wie 2018, als sich die Aufseher angesichts einer verfallenden türkischen Lira von diversen Instituten vielfach wöchentlich über deren Exposure am Bosporus auf dem Laufenden halten ließen, ist bislang nichts bekannt.

Auch Häuser jenseits der Landesgrenzen sind in den vergangenen Jahren in Russland kürzergetreten. Es sind die üblichen Verdächtigen, die weiterhin exponiert sind. So hat in der vergangenen Woche die Raiffeisen Bank International (RBI) als erstes Kreditinstitut in Europa über Risikovorsorge angesichts der mili­tärischen Spannungen berichtet: 25 Mill. Euro legte die Bank für geopolitische Risiken in der Ukraine zur Seite, weitere 21 Mill. Euro für Sanktionen in Russland, ihrem wichtigsten Einzelmarkt. Ebenso hat der Konzern seine entsprechenden Währungsabsicherungen forciert. Das Geschäft der Bank in Russland und der Ukraine sei in guter Verfassung, betonte Chief Executive Officer Johann Strobl, für den ein Rückzug aus Russland nicht in Frage kommt. Dennoch verfolge man die Entwicklungen genau. Mit Recht: Das Haus hat ein Exposure von 22,9 Mrd. Euro gegenüber dem russischen Staat bzw. Unternehmen oder Banken des Landes. Einen höheren Anteil der Risikoaktiva in Russland als die RBI meldet allein RCB, bis 2013 bekannt als Russian Commercial Bank (Cyprus). RBI hatte, neben Société Générale (SocGen) sowie Unicredit, schon 2014 angesichts der Annexion der Krim durch Russland und eines Rubel-Verfalls im Fokus des Marktes gestanden. Damals hatte die Bank ihren ersten Jahresverlust ankündigen müssen. Seither haben ausländische Banken ihre Exposures gegenüber Russland laut Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) mehr als halbiert, wie Reuters zur Wochenmitte meldete. Gleichwohl summierten sich die Forderungen allein von Instituten aus Frankreich und Italien im dritten Quartal demnach auf je rund 25 Mrd. Dollar.

Ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine hätte fraglos unwägbare Konsequenzen. Käme es hingegen zu weiteren Sanktionen gegen Russland, so hält die Ratingagentur DBRS Morningstar die Auswirkungen auf Europas Banken für marginal. Nur fünf Banken in Europa wiesen gegenüber der Russischen Föderation ein Exposure von mehr als 1% ihrer Risikoaktiva auf, argumentieren die Bonitätswächter.

Im Falle von Sanktionen sähen sich europäische Banken neben Markt- und Kredit- auch operationellen Risiken gegenüber. Schließlich könne es erhebliche finanzielle Konsequenzen für Banken haben, sollten sie sich nicht an entsprechende Bestimmungen halten. So erinnert die Agentur an eine Zahlung von 8,9 Mrd. Euro, die BNP Paribas 2015 wegen Verletzung von Sanktionen gegen den Iran, Kuba und Sudan hatte berappen müssen.

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