Banken werden wieder gebraucht
Bankentag
Finanzbranche wird wieder gebraucht
Die Eiszeit zwischen Politik und Banken ist vorbei. Die Branche wird für die Transformation gebraucht.
Von Angela Wefers
Es hätte kaum besser laufen können für die private Kreditwirtschaft. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat beim Bankentag 2024 die Seele der Banken gestreichelt. Die nach der Finanzkrise 2008/2009 ausgebrochene Eiszeit zwischen Kreditwirtschaft und Politik ist endgültig vorüber. Die Banken sind nicht mehr Teil des Problems, sondern Teil der Lösung, konstatierte der Kanzler. Aber er hatte noch mehr im Gepäck. Einem zentralen Anliegen der Branche versprach Scholz politischen Rückenwind: der Weiterentwicklung der Kapitalmarktunion. Das Thema zog sich wie ein roter Faden durch den Bankentag. Selbst Panels, die unter ganz anderer Überschrift standen, dominierte es.
Zudem scheint die gesamte Wunschliste der privaten Banken beim Kanzler angekommen. Noch besser: Er hat sie auf seine To-do-Liste gesetzt. Scholz versprach, sich für bessere Bedingungen bei Verbriefungen in Europa und für Bürokratieabbau bei Berichtpflichten einzusetzen. In der Bankenunion soll die volle Flexibilität von Kapital und Liquidität bei grenzüberschreitenden Geschäften kommen. Alles sind oft adressierte Anliegen der Banken. Gerade Verbriefungen erlauben es, Kreditrisiken besser zu verteilen und Platz für neue Geschäfte bei den Banken zu schaffen. Der Markt ist in Europa durch die Nach-Krisen-Regulierung schwach. Viele Jahre blieben die Reformrufe der Kreditbranche in der Politik unerhört. Glück ist, wenn der Kanzler zuvor Finanzminister war. Noch schöner wäre es gewesen, die Einsicht wäre schon im vorherigen Amt gereift.
Ganz uneigennützig ist der neue politische Kurs nicht. Die Wachstumsschwäche Deutschlands belastet nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Bilanz der Bundesregierung. Von der Ampel wird erwartet, dass sie spürbares Wachstum wieder möglich macht. Schon 2025 wird der Bundestag wieder neu gewählt. Investitionsschwäche und marode Infrastruktur verschwinden nicht von selbst. Wenn die Bereitschaft zu Investitionen zurückkehrt, braucht es Finanzierung. Auch die Transformation der deutschen Volkswirtschaft zur Klimaneutralität muss gestemmt werden. Öffentliches Geld allein kann dies nicht leisten. Der Löwenanteil muss aus dem privaten Sektor kommen. Dazu braucht die Kreditbranche deutlich mehr Bewegungsspielraum. Die neue Kursrichtung der Politik zeigt, dass es den Banken gelungen ist, nach dem massiven Vertrauensverlust in der Finanzkrise wieder eine gute Basis zu schaffen. In der Coronakrise haben die Kreditinstitute bewiesen, welche wichtige Rolle sie als Scharnier zur Versorgung des Unternehmenssektors mit Krediten und Liquidität erfüllen.
Die neue politische Absicht ist gut, aber am Ende zählt die Tat. Vielversprechend für ein gutes Ergebnis ist, dass Scholz die wichtigen Vorhaben zur Chefsache machen und so beschleunigen will. Sie sollen aus Expertenrunden heraus auf die Agenda der EU-Staats- und Regierungschefs gehoben werden. Die jüngeren Bewegungen in Brüssel zur Kapitalmarktunion zeugen davon. Des Kanzlers Gedankenspiel, auch zweitbeste – dafür aber EU-weit harmonisierte – Lösungen zu akzeptieren, spricht dafür, dass er ernsthaft am Gelingen interessiert ist. Auch der Umstand, nicht nur das große Ganze zu akzeptieren, sondern wenn nötig eben auch nur kleine Schritte zu gehen.
Nach sieben Jahren Distanz hatte sich die Branche 2024 erstmals wieder in Präsenz zu einem Bankentag zusammengefunden, der im Drei-Jahres-Rhythmus tagt. Die Stimmung war gelöst. Lang eingeplant, aber nicht in Präsenz erschienen war Finanzminister Christian Lindner (FDP). Dieser ließ eine Videobotschaft an den Sektor senden, für den er in der Bundesregierung Verantwortung trägt. Lindner reiste kurzfristig mit dem Bundespräsidenten in die Türkei anlässlich des 100. Jahrestags der Aufnahme diplomatischer Beziehungen beider Länder. Frank-Walter Steinmeier hatte eine Wirtschaftsdelegation mit im Gepäck, um die Leistung türkischer Migranten in Deutschland zu würdigen: 100 Gäste mit türkischen Wurzeln hatte er eingeladen, ihn zu begleiten – darunter Arif Keles, der in Berlin in dritter Generation einen Dönerimbiss betreibt. Lindner hat mit seiner Terminwahl klare Prioritäten gesetzt.