Bayer auf den Spuren von Hoechst
Die Aktionäre von Bayer warten seit Monaten auf eine Lösung der anhaltende Misere im Konzern und am Aktienmarkt. Doch stattdessen gehen die Chaostage munter weiter. Allein in der vergangenen Woche, kurz vor dem Kapitalmarkttag und der Bilanzpressekonferenz am morgigen Dienstag in London, ist den Investoren einiges zugemutet worden. Erst wurde für dieses und zwei weitere Jahre eine drastische Dividendenkürzung bekannt gegeben. Dann folgten noch einige Personalien: Der Consumer-Health-Chef Heiko Schipper verlässt das Unternehmen. Ihm folgt ein Bayer-Legionär mit mehr als zwei Jahrzehnten Konzernerfahrung. Für den Aufsichtsrat sollen der Hauptversammlung gleich drei Wechsel vorgeschlagen werden. Interessanteste Personalie: Aktionärsaktivist Jeffrey Ubben soll einen Sitz erhalten.
Aufspaltung adé?
Bedeutet der Wechsel an der Spitze von Consumer Health, dass die Weichen auf Trennung gestellt wurden? Dass der neue CEO bereits 58 Jahre alt und lange im Konzern ist, bestärkt zwar nicht gerade gegenteilige Vermutungen. Aus dem Konzern waren aber zuletzt dämpfende Signale zu vernehmen. Eine Aufspaltung wird es wohl doch nicht so bald geben. Viele Investoren dürften sich daher umso mehr dafür interessieren, was das groß vermarktete neue Arbeitsmodell "Dynamic Shared Ownership" (DSO) denn wirklich für Vorteile bringen kann - und vor allem, wann diese messbar werden.
Kursdesaster
Die DSO-Ankündigung im November hatte noch keinen Vertrauensgewinn beschert. Seitdem ist die Bayer-Aktie von gut 41 auf rund 28 Euro gefallen. In der gleichen Zeitspanne ist der Dax von 15.230 auf knapp 17.700 Zähler gestiegen. Eine hübsch gemalte Investorenpräsentation wird dieses Kursdesaster nicht schönfärben können.
Vertrauensproblem - intern wie extern
CEO Bill Anderson versucht, mit einer Reorganisation ein Problem zu bekämpfen, das im Kern durch eine Fehlentscheidung in der Konzernspitze ausgelöst wurde. Die Übernahme von Monsanto und deren milliardenschwere Folgen drohen den Dax-Konzern in die Knie zu zwingen. Die Strukturen mögen verkrustet sein, das Management-Modell überholt - Ursprung der Krise war aber eine kapitale Fehleinschätzung des vormaligen Bayer-Vorstands. Der Versuch, den Herausforderungen mit einer Reorganisation Herr zu werden, ist auch deshalb schwierig. Die Akzeptanz für einschneidende Umbauten fällt geringer aus, wenn die Fehler bei den Mitarbeitern nicht primär in den eigenen Reihen, sondern in der (vorherigen) Führung gesehen werden.
Parallelen zu Hoechst
Tragisch ist, dass die Entwicklung bei Bayer fatale Parallelen zum Niedergang eines anderen einstigen Branchen-Schwergewichts aufweist: Als es mit Hoechst in den späten 1990er Jahren bergab ging, versuchte das damalige Management, die Probleme mit Reorganisationen und Spartenverkäufen zu beheben. Unter anderem wurde die Chemie abgegeben - um den Weg freizumachen für eine mögliche Fusion mit ausgerechnet Monsanto. Zu dieser kam es nie. Eine Umbau der Pharmasparte sorgte später für massiven Widerstand in der Belegschaft. Deren Börsengang wurde abgesagt und Hoechst flüchtete in eine Fusion mit Rhône Poulenc (nach der Fusion: Aventis).
Ein Vierteljahrhundert später droht sich Geschichte zu wiederholen und mit Bayer der nächste I.G.-Farben-Nachfolgekonzern in eine nicht aufzuhaltende Abwärtsspirale zu geraten. Unabhängig davon, was am Dienstag präsentiert wird, kündigt sich für Freitag bereits der nächste Nackenschlag an. Dann dürfte Bayer aus dem Stoxx Europe 50 fliegen, da nach dem Kurssturz die Voraussetzungen für einen Fast-Exit erfüllt sind.