Notiert inMadrid

Bei der Flut soll nicht gekleckert werden

Die spanische Regierung will den Opfern der Flutkatastrophe schnell und unkompliziert helfen und gibt bisher gut 14 Mrd. Euro frei.

Bei der Flut soll nicht gekleckert werden

Notiert in Madrid

Bei der Flut soll nicht gekleckert werden

Von Thilo Schäfer

Torrent ist ein Vorort von Valencia, der von der Flutkatastrophe relativ verschont blieb, während in den Nachbargemeinden die Zerstörung durch die Schlammmassen massiv ist. Dennoch gelten die Einwohner von Torrent als Betroffene und haben Anspruch auf die staatlichen Hilfen. So erhielt Toni Martínez vor Tagen auf dem Rundgang während der Aufräumarbeiten im Nachbarort Pincanya eine SMS vom Finanzamt, die ihn über den Aufschub der Zahlung seiner Einkommensteuer informierte. Die spanische Regierung hat aus früheren Naturkatastrophen gelernt, dass es bei den Direkthilfen darauf ankommt, schnell und unbürokratisch zu verfahren, auch wenn dabei Leute profitieren, die keinen großen Schaden erlitten haben. So werden sämtliche Bankdarlehen für Privatpersonen, Selbständige und Unternehmen per Dekret für drei Monate ausgesetzt, und für die folgenden neun Monate müssen nur die Zinsen gezahlt werden.

Am Montag beschloss das Kabinett ein weiteres Hilfspaket für die Flutopfer in Höhe von 3,76 Mrd. Euro. Letzte Woche wurden bereits Maßnahmen für 10,6 Mrd. Euro verabschiedet. Es handelt sich hauptsächlich um direkte Zuwendungen an Unternehmen, Kurzarbeitergeld und Hilfen von bis zu 60.000 Euro für Menschen, deren Wohnung beschädigt wurde. Wer verloren gegangene Dokumente wie Ausweis oder Führerschein erneuern muss, zahlt keine Gebühren. In dem Gürtel rund um Valencia gibt es viel Industrie und Landwirtschaft. Der Orangengarten Europas ist zum guten Teil im Schlamm versunken. Damit die Gelder auch ankommen, hat die Regierung zehn mobile Büros in den heimgesuchten Orten wie Paiporta und Massanassa aufgestellt.

Während zehntausende Menschen weiterhin mit den Schäden der Flutkatastrophe beschäftigt sind, läuft in der spanischen Politik und den Medien wie erwartet das „blame game“ der gegenseitigen Schuldzuweisungen. Die konservative Landesregierung von Valencia, die als regionale Verwaltung für den Notstand zunächst zuständig ist, sieht dabei deutlich schlechter aus. Ministerpräsident Carlos Mazón kam am Tag des angekündigten Riesenunwetters wegen eines sehr langen Mittagessens mit einer Journalistin spät zum Krisenstab hinzu. Die automatische Warnmeldung ging daher erst raus, als den Menschen schon das Wasser bis zum Hals stand. Die Konservativen zielen dagegen auf die Verantwortung der Zentralregierung und schießen sich insbesondere auf die Umweltministerin Teresa Ribera ein, die in der neuen Europäischen Kommission eine führende Rolle übernehmen soll.

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez nutz das milliardenschwere Hilfspaket als Beleg für die Notwendigkeit von mehr Steuereinnahmen. Die Linksregierung plant gerade, hohe Einkommen stärker zu belasten, sowie eine Luxussteuer oder ein Ende von Begünstigungen für private Krankenversicherungen. Auch Dieselkraftstoff soll höher besteuert werden. Das dürfte die Landwirte im Orangengarten in Valencia weniger freuen.

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