Pleitewelle

Bewährungs­probe für Fintechs

Über Deutschland rollt eine erste Fintech-Pleitewelle, die sich fortsetzen dürfte. Es gibt aber reichlich Fintechs mit Substanz, die aktiv konsolidieren.

Bewährungs­probe für Fintechs

­Es ist ein wenig ungemütlicher geworden in der Fintech-Branche. Seitdem die Märkte in den Risk-off-Modus gegangen sind und Tech-Werte abstürzten, haben die Start-ups in privaten Finanzierungsrunden schwerer Zugang zu Kapital und müssen sich zudem mit geringeren Bewertungen anfreunden. Vor allem An­schlussfinanzierungen aus der Seed- und Series-A-Phase heraus bereiten Probleme, müssen sich viele Investoren doch erstmal sortieren, wie sie ihre Portfolios durch schweres Wetter navigieren sollen. Von daher genießt das Nachschießen für Bestandsinvestments Priorität, sofern man sich davon überzeugt hat, dass das Start-up Erlöse zu reduziertem operativem Aufwand reinholen kann.

Gekniffen ist, wer seine Equity Story nicht von heute auf morgen drehen kann und zudem mit akutem Finanzbedarf konfrontiert ist. Das hat in den vergangenen Wochen schon zu drei Fintech-Pleiten in Deutschland geführt: Nach den eher kleinen Fischen Vantik und Rubarb hat es auch die Kryptobank Nuri erwischt. Der wurde zum Verhängnis, dass sie der inzwischen in Gläubigerschutz befindlichen Plattform Celsius Network Krypto-Depositen ihrer Kunden vermittelte und dabei nicht den Eindruck erweckte, eine ordentliche Due Diligence betrieben zu haben. Denn zum einen war durchaus ersichtlich, dass die Zinsversprechen aus DeFi-Anlagen von steigenden Notizen sowie weiterem Geldzufluss abhängig waren und Celsius ein unlizenziertes Geschäft mit Finanzinstrumenten betreibt – was freilich auch die SEC hätte auf den Plan rufen sollen. Die hatte sich aber zunächst den Celsius-Konkurrenten BlockFi vorgeknöpft.

Zum anderen hätte ein Blick auf das Geschäftsgebaren von Celsius-Chef Alex Ma­shinsky misstrauisch machen sollen. Der war volle Pulle auf Vertrieb gepolt, lullte Anleger mit Renditeversprechen ein und zog seine Legitimität daraus, dass man ja keine böse Bank sei. Diese Art der negativen Abgrenzung ist hohl und kann natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei Token-Investments um Finanzprodukte handelt, für die man als Anbieter lizenziert sein muss – und nicht wie Mashinsky mit den Depositen der Kunden im Glauben an den ewiglichen Bullenmarkt in Kryptowerten spekuliert. Zudem hatte Mashinsky keine 24 Stunden vor Stopp der Auszahlungen noch auf konkrete Anfrage die Solvenz von Celsius betont, was ein juristisches Nachspiel haben sollte.

Nun ist der Katzenjammer groß und die Chancen deutscher Anleger auf Rückgabe ihrer Bitcoin als unbesicherte Gläubiger verschwindend gering. Sollte Nuri in die Abwicklung gehen, sind selbst die über sie deponierten inländischen Krypto-Anlagen vom Einlagenschutz gesichert – der Verbraucherschutz in Deutschland ist vielleicht doch gar nicht so übel (und früh dran bei Innovationen), wenn man mal internationales Benchmarking be­treibt. Die Fortführungsprognose für Nuri ist jedoch wackelig, auch wenn dem Insolvenzverwalter zufolge ermutigende Gespräche mit Investoren laufen. Denn sobald Anleger ein signifikantes Volumen ihrer Einlagen abziehen, ist das Fintech erledigt. Dann dürften sich die Geier damit begnügen, allein die Tech-Plattform aus der Insolvenzmasse zu erhalten. Zudem drohen Anlegerklagen: Ein Risiko, das sich kein Investor einhandeln will.

Ein wenig schmunzeln musste man bei der Pleite des Geldanlage-Fintechs Rubarb. Die Scholz-Neffen hatten als Gründer so wenig Run­way aus der Seed-Phase, dass rein gar nichts übrig war, um den (abenteuerlichen) Pivot hin zur DeFi-Anlage über eine litauische Lizenz zu bewerkstelligen. Offenbar waren die Grünschnäbel von der Up-Only-Mentalität ge­blendet und standen blöd da, als der neue Businessplan nicht mehr so sexy war und sich das Altgeschäft als sehr dünn und absehbar nicht kostendeckend herausstellte. Immerhin konnten die Depot-Kunden der Pleite-Fintechs Rubarb und Vantik schnell eine neue Heimat finden beim Leipziger Fintech Evergreen, das mit geringeren Kosten und tieferer Wertschöpfung agiert.

Die Fintech-Branche hat in diesen Tagen ihre erste harte Bewährungsprobe zu bestehen, kommen viele Start-ups doch an den Punkt, da sie mit ihren Geschäftsmodellen ins Geldverdienen kommen müssen. Wobei auch weiterhin defizitäres Wachstum finanziert wird, wenn die Kennzahlen und Zielmärkte das rechtfertigen. Dass sich die Bewertungen abkühlen, ist okay. Denn die Monetarisierung ist oft ein wenig lax betrieben worden. Kennziffern wie Umsatz pro Kunde gehört die Zukunft, der Ausweis von nach oben manipulierten Bruttokundenzahlen hat ausgedient.    

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