E-Ladesäule

Bezahlsysteme werden zum Wettbewerbsfaktor

Beim Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Mobilität tobt eine harter Kampf um Marktanteile. Das umstrittene Bezahlsystem spielt dabei eine zentrale Rolle.

Bezahlsysteme werden zum Wettbewerbsfaktor

Von Angela Wefers, Berlin

Immer mehr Elektroautos werden in den nächsten Jahren über deutsche Straßen rollen. Immer mehr Autos müssen damit an der Steckdose tanken. Im neuen Markt der Ladesäulen tobt eine scharfer Kampf. Hart umstritten ist auch, wie künftig an der  Ladesäule bezahlt wird. Geht es nach der Bundesregierung, sind Banken, Sparkassen und Kartenanbieter künftig mit dabei. Dies hatte das Bundeskabinett im Mai mit der geänderten Ladesäulenverordnung beschlossen. Die Entscheidung des Bundesrats dazu steht noch aus. Energiebranche und Automobilhersteller halten dagegen. Sie setzen auf ihre eigenen Systeme und kämpfen um ihre Marktanteile.

Ende Juni sollte der Bundesrat die geänderte Ladesäulenverordnung billigen. Die Zeit drängt, wenn die Ladeinfrastruktur nicht der Engpass für wachsende Elektromobilität werden soll. Unter den Bundesländern herrscht jedoch Uneinigkeit über das künftige Bezahlmodell. Die für den 25. Juni vorgesehene Entscheidung im Plenum dürfte nach Informationen der Börsen-Zeitung auf die nächste Sitzung vertagt werden. Wegen der Sommerpause tritt die Länderkammer erst wieder im September zusammen – gut eine Woche vor der Bundestagswahl.

Der Ausbau der Ladeinfrastruktur wirft handfeste Wettbewerbsfragen auf. Eine Million öffentlich zugängliche und teils öffentlich geförderter Ladepunkte soll es bis 2030 geben. Dies ist Teil des Klimaschutzprogramms der Bundesregierung. Den Umsatz an Ladesäulen für E-Autos schätzt das auf erneuerbare Energien spezialisierte Beratungshaus EUPD Research in diesem Jahr auf 72 Mill. Euro. Bis 2025 prognostizieren die Berater fast eine jährliche Verdoppelung des Umsatzes. Zwischen 2025 und 2030 gehen sie von Wachstumsraten von je 29% aus. 2030 läge der Umsatz demnach bei 3,3 Mrd. Euro.

Intransparente Preise

Rund 200 Anbieter von Autostromtarifen sind derzeit im deutschen Markt positioniert. Gleichwohl hatte die Monopolkommission schon 2019 in einem Gutachten auf die Gefahr der Monopole einzelner Betreiber von Ladesäulen hingewiesen, wenn Bundes- und Landesbehörden sowie Kommunen beim regionalen Ausbau der Infrastruktur nicht auf Wettbewerbsaspekte achteten. Der Stromlieferant wird – anders als bei Haushaltsstrom – in der Regel durch die Ladesäule bestimmt. Kann der Kunde in einzelnen Regionen nicht wählen, befürchten die Wettbewerbshüter potenziell überhöhte Preise. Weil dies und eine intransparente Preisstruktur den Ausbau der Elektromobilität gefährden kann, hatte die Monopolkommission geraten, die Ladeinfrastruktur für Durchleitungswettbewerb zu öffnen und Wechselmöglichkeiten zu schaffen.

Auch beim Bezahlen geht es um Marktanteile, Kundenbindung und Kontrolle über den Markt. Die Bundesregierung hatte im Mai in der novellierten Ladesäulenverordnung verfügt, dass die Betreiber von Ladesäulen künftig auch kontaktloses Bezahlen mit gängigen Kredit- und Debitkarten anbieten und die Authentifizierung ermöglichen müssen. Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) untermauert dies mit der Feststellung, dass allein ihr Girocard-System rund 100 Millionen Karten ausgegeben hat. Alle relevanten Zielgruppen der E-Mobilität würden erreicht. Die Initiative Deutscher Zahlungssysteme stuft eine „einheitliche und nutzerfreundliche Bezahlinfrastruktur“ an der Ladesäule als wichtig für die Akzeptanz der E-Mobilität ein. Der Bundesverband Fuhrparkmanagement sieht den Ausbau der E-Mobilität durch das derzeit „unübersichtliche Bezahlsystem“ gebremst und dringt auf Harmonisierung.

Karte oder App

Aktuell gibt es zwei Wege des Ladens: das Ad-hoc-Laden sowie das vertragsbasierte Laden, bei dem zuvor ein Vertrag zwischen Autostromnutzern und -lieferant abgeschlossen wird. An der Ladesäule identifiziert sich der Nutzer üblicherweise mit einer App oder einer Karte bzw. einem Chip automatisch und berührungslos – und startet den Ladevorgang. Dabei ist laut Nationaler Leitstelle für Ladeinfrastruktur nur per App, Website oder Display einsehbar, ob der Fahrstromvertrag für das Laden an dieser Säule akzeptiert wird und damit auch bezahlt werden kann. Für Ad-hoc-Ladevorgänge müssen laut Leitstelle hierzulande derzeit teilweise digitale Benutzerkonten angelegt werden. Dies schränke die Direktbezahlung deutlich ein. Einer Nutzerbefragung der Leitstelle aus dem Jahr 2020 zufolge zahlten 32% am liebsten über die App und 10% über die mobile Webseite des Ladesäulenbetreibers. 27% gaben an, am liebsten mit Kredit- oder Debitkarte via Lesegerät an der Säule und 18% über die Nahfeldschnittstelle NFC zu zahlen. Die übrigen 13% entfielen auf sonstige Wege.

Entschieden gegen die Kartenlesegeräte an den Ladesäulen wenden sich der Energieverband BDEW, der Automobilverband VDA und der Elektroindustrieverband ZVEI. Überall in Europa setzten sich digitale Bezahlsysteme durch; die Kartenlesegeräte würden in den nächsten Jahren drastisch weiter an Bedeutung verlieren, kritisierten die einflussreichen Verbände die sich abzeichnende gesetzliche Pflicht, die Zahlung mit Debit- oder Kreditkarte an der Säule einzurichten. Auch hier wird das Argument der Ausbaugeschwindigkeit der E-Mobilität angeführt, nur aus anderer Perspektive. Die Verbände sehen in der Kartenzahlung der Kreditwirtschaft eine Bremse. Kartenlesegeräte seien teuer, viele Modelle müssten eichrechtlich geprüft und zugelassen werden – erfahrungsgemäß ein Prozess von mehreren Jahren. Schon heute werde zu 90% über feste Verträge an der Ladesäule bezahlt und nur zu 10% spontan geladen.

Wenn der Bundesrat erst im September entscheidet und Nachbesserung verlangt, dürfte erst die neue Bundesregierung nacharbeiten können. Das wäre eine wirkliche Bremse für den Aufbau der Infrastruktur. Es gäbe der Monopolkommission aber die Chance, diesen Punkt aus Wettbewerbssicht noch zu beleuchten.