Bitte kein Pseudo-Votum!
Say on Climate
Bitte kein Pseudo-Votum!
Von Sabine Wadewitz
Die Unternehmen sollten sich darauf einstellen, dass sie am Say on Climate in der Hauptversammlung nicht vorbeikommen.
Wohl jedes größere börsennotierte Unternehmen dürfte sich inzwischen mit der Frage befassen, ob es seinen Klimaplan den Aktionären zur Abstimmung vorlegen soll. International gibt es, angestoßen von Investoren, seit einigen Jahren den klaren Trend, die Anteilseigner in dem Thema mit ins Boot zu holen. In Deutschland ist diese Entwicklung noch nicht angekommen. Hierzulande wird abgewartet, womöglich mit gutem Grund.
In Deutschland ist 2023 das Chemieunternehmen Alzchem als Pionier mit dem Say on Climate in den Praxistest gegangen. Der Beschluss fand große Zustimmung, allerdings weitgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit. Mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat der Maschinenbauer Gea, der sich als Eisbrecher in der Dax-Familie 2024 mit seinem Klimaplan 2040 in die Arena wagte. Das MDax-Unternehmen stieß nicht nur auf hohe Akzeptanz bei den Aktionären, der Beschluss und die Regularien fanden großes Interesse im ganzen Kapitalmarkt. Mit Spannung wird erwartet, wer sich als Nächstes aus der Deckung wagt. Eine Welle ist bislang nicht in Sicht.
Im Dickicht der Regulierung
Dass Unternehmen bei allem Bekenntnis zu ESG zögerlich sind, ihre Aktionäre über ein Klimavotum einzubeziehen, lässt sich daraus erklären, dass sie sich mit der Umsetzung der CSRD-Richtlinie und der ausschweifenden Regulierung im Nachhaltigkeitsreporting noch schwertun. Es ist verständlich, dass Emittenten erst dann Klimapläne zur Abstimmung stellen wollen, wenn sie diese für belastbar halten. Das ist auch im Interesse der Anleger. Für einen Beschluss auf der Hauptversammlung braucht es eine stichhaltige Vorlage des Unternehmens und eine fundierte Beurteilung durch die Investoren. Mit Pseudo-Voten wird niemand für den Klimawandel motiviert.
Es sollte die Meinungsbildung befördern, dass nun die EU-Lieferkettenrichtlinie die Unternehmen verpflichtet, konkrete Klimapläne zu erstellen. Die Firmen müssen ausführlich darlegen, wie sie zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels beitragen wollen. Zwar verlangt die Richtlinie kein Say on Climate. Das für einen Beschluss notwendige Dokument muss aber erstellt werden, so dass der Weg zur Hauptversammlung nicht mehr weit ist − warum sollte man ihn dann nicht einschlagen?
Diskussion gewinnt an Fahrt
Auch außerhalb der Unternehmenswelt gewinnt die Diskussion an Fahrt. So wird sich der Deutsche Juristentag Ende September in der Sektion Wirtschaftsrecht mit der Frage befassen, ob sich Änderungen im Gesellschaftsrecht im Kampf gegen den Klimawandel empfehlen. Dabei will man auch erörtern, ob die Hauptversammlung über den Klimatransformationsplan befinden sollte. Hier müsste nicht zwangsläufig der Gesetzgeber ans Werk gehen, es könnte auch eine Änderung im Corporate Governance Kodex befürwortet werden, um die Unternehmen nicht in ein starres Korsett zu zwängen.
Mit Blick auf mögliche Regulierung wird erwartet, dass ein Say on Climate vergleichbar dem Vergütungsbeschluss ein konsultatives Votum bleiben würde, also rechtlich unverbindlich und nicht anfechtbar. Die Erfahrungen mit dem Say on Pay haben gezeigt, dass auch ein nicht bindendes Votum enorme Schlagkraft entwickeln kann.
Klimawandel wird nicht geschenkt
Es gibt aus Sicht der Emittenten Gründe für und gegen das Klimavotum. Viele fragen sich, weshalb sie der HV den Klimaplan vorlegen sollen, wenn sie das mit dem Finanzplan nicht tun. Andererseits könnte es sinnvoll sein, die Anleger schon deshalb mitreden zu lassen, weil die Klimatransformation hohe Investitionen erfordern und Ertragskraft sowie Dividende beeinträchtigen kann.
Die Unternehmen sollten sich darauf einstellen, dass sie am Say on Climate nicht vorbeikommen. Der Druck von Investoren bleibt hoch. Der Appell aus der Fondsbranche ist klar formuliert: Wer sich nicht auf den Weg macht, verliert langfristig orientierte Anleger. Und auch ohne Klimavotum wird der Kapitalmarkt seine Meinung zum Transformationsplan unmissverständlich in anderen Beschlüssen zum Ausdruck bringen − etwa in der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat.