Allianz

Cash is King

Die US-Milliardenklagen lasten auf dem Aktienkurs der Allianz. Der Versicherer steuert auf dem kommenden Kapitalmarkttag dagegen. Die Investoren hoffen auf mehr Cash auf ihren Konten.

Cash is King

Von Michael Flämig, München

Michael Diekmann kann zuweilen recht direkt sein. „Ich muss Sie enttäuschen, wenn Sie denken, wir sitzen auf Tonnen von Cash“, so seine Ansage an die versammelten Analysten: „Wir sind nicht Apple.“ Wer denkt, derlei implizite Absagen an hohe Ausschüttungen seien aus der Zeit gefallen, der täuscht sich nicht. Die Aussage des heutigen Allianz-Aufsichtsratsvorsitzenden stammt aus dem Februar 2013, als Diekmann noch als Vorstandschef agierte.

Mittlerweile hat sich auch bei dem Versicherer viel verändert. Intern schöpft die Zentrale überschüssiges Kapital der operativen Tochtergesellschaften rigoros ab, extern sind beispielsweise die einst verpönten Aktienrückkäufe an der Tagesordnung. Doch es stehen weitere Neuerungen an. Denn das Thema Cash wird auf dem kommenden Kapitalmarkttag, der die neue Dreijahresplanung bringt, eine Rolle spielen.

Dies zumindest lässt sich aus den Äußerungen des Diekmann-Nachfolgers herauslesen. Oliver Bäte spricht von „cash flow generation power“, wenn er den Analysten die Robustheit des Versicherers trotz der Milliardenklagen in den USA vor Augen führt. Sein Finanzvorstand Giulio Terzariol verspricht Details für den Kapitalmarkttag am 3. Dezember: „Wir werden auf jeden Fall einen Abschnitt haben, die sich mit Kapital und Cash-Erzeugung beschäftigt.“

Die Erwartungen der Analysten sind hoch gespannt. Hadley Cohen von der Deutschen Bank diagnostiziert mehr Flexibilität des Versicherers als bislang erwartet. „Wir schätzen, dass das Unternehmen mehr als 10 Mrd. Euro überschüssige Cash-flow addiert in den nächsten drei Jahren erwirtschaften könnte“ – also ein ausschüttbares Kapital über die Dividendensumme hinaus, schreibt er in seiner Studie „More flexibility than appreciated“.

Michael Huttner von Berenberg schlägt in seinem jüngsten Branchenüberblick („The composites are back“) ähnliche Töne an: „Wir erwarten, dass die Allianz auf dem Kapitalmarkttag attraktive Ziele für das Wachstum von Cash-flow und Dividende setzen wird.“

Woher kommt diese Zuversicht? Bäte hat die Fantasie befeuert, als er im August die Halbjahreszahlen präsentierte. Es könne in den nächsten drei Jahren ein Cash-flow von bis zu 30 Mrd. Euro erzeugt werden, rechnete er den Analysten vor. Als Cash-Generierung versteht die Allianz einerseits die Summe, die die operativen Tochtergesellschaften als Dividende nach München überweisen. Hinzu kommt andererseits jenes Risikokapital, das die Töchter freigesetzt haben und an die Zentrale abgeben.

Bätes Zahl weckt Erwartungen, weil so nicht nur Wachstum, sondern auch eine höhere Ausschüttung finanziert werden könnte. Der Betrag 30 Mrd. Euro ist bemerkenswerter, als er auf den ersten Blick scheint. Erstens liegt er erheblich über jenen 22,7 Mrd. Euro, die die Allianz in den vergangenen drei Jahren erwirtschaftet hat. Zweitens lagen die Mittelzuflüsse in einer engen Bandbreite von 7,3 bis 7,8 Mrd. Euro pro Jahr, die eigentlich wenig Raum für Sprünge lässt (siehe Grafik). Zwar soll der Nettogewinn und damit implizit der Cash-flow nach den bisherigen Vorgaben um jährlich 5% wachsen. Doch selbst inklusive dieser Raten, angewandt auf die durchschnittlich erwirtschafteten 7,5 Mrd. Euro per anno im Zeitraum 2018 bis 2020, wären in den nächsten drei Jahren nur rund 25 Mrd. Euro erreichbar.

Bäte aber verspricht bis zu 5 Mrd. Euro mehr. Was treibt diesen Ehrgeiz? Deutsche-Bank-Analyst Cohen schreibt, dass die geänderte Bilanzierung von Versicherungsverträgen eine Rolle spiele. Mit der Einführung dieser IFRS-17-Richtlinie im Jahr 2023 müsse die Assekuranz den Fokus vom Gewinn auf Kapital und Cash-Erzeugung verlagern – und damit auf eine Größe, die von Rechnungslegungsvolatilitäten weitgehend unberührt bleibt und damit bessere Vergleichbarkeit quer durch die Branche bietet.

Es kommen Allianz-spezifische Faktoren hinzu. Infolge der Klagen wegen missratener US-Fondsgeschäfte über 6 Mrd. Dollar wird es, sobald sich die Allianz mit den Klägern geeinigt hat, einen Cash-Abfluss in Milliardenhöhe geben. Dies kann sich die Allianz finanziell leisten. Trotzdem steigert es den Druck, zusätzliche Barmittel zu heben. Außerdem kann der Vorstand mit der Entwicklung des Aktienkurses nicht zufrieden sein. Die Aktienrendite, gemessen als Dividende plus Kursveränderungen, war im vergangenen Jahr mit −2,5% negativ. Dies war gut durch die Pandemie erklärbar, doch auch in diesem Jahr lässt dieser Total Shareholder Return zu wünschen übrig. Bis in den Oktober hinein ist er laut Berenberg nur leicht positiv – unter 31 Mehrspartenversicherern liege die Allianz damit lediglich an 24. Stelle. Höhere Ausschüttungen täten auch dem Kurs gut.

Wie nun kann Kapital freigesetzt werden? Taktische Maßnahmen wie eine Verringerung der Investments in Aktien, die mit viel Kapital unterlegt werden müssen, sind von beschränkter Wirkung. Ein Verkauf oder die Rückversicherung von Lebensversicherungsportfolien mit hohen Garantien dagegen kann beträchtlichen Cash freisetzen (vgl. BZ vom 12. Oktober). 5 Mrd. Euro lassen sich damit jedoch auch nicht generieren. Lässt sich vielleicht das großvolumige Firmenkundengeschäft so strukturieren, dass es weniger Kapital benötigt? Der Kapitalmarkttag sollte allerlei ergänzende Ideen bringen.

Apple wird zwar trotzdem nicht zu schlagen sein. Aber ein paar Tonnen Cash bringt die Allianz mittlerweile zusammen. Dies weckt auf jeden Fall die Begehrlichkeiten der Aktionäre.

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