Chancen zum Booster nicht verschenken
Infrastrukturpaket zieht Immobilien mit
Das 500-Mrd.-Euro-Paket für Infrastrukturinvestitionen ist durch eine Grundgesetzänderung auf dem Weg. Die Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft können groß sein.
Von Thomas List, Frankfurt
Von Thomas List, Frankfurt
Ein Sondervermögen von bis zu 500 Mrd. Euro zur Modernisierung der Infrastruktur. Was ist damit gemeint? In der Gesetzesbegründung heißt es, es gehe insbesondere um Zivil- und Bevölkerungsschutz, Verkehrsinfrastruktur, Krankenhaus-Investitionen, Investitionen in die Energieinfrastruktur, in die Bildungs-, Betreuungs- und Wissenschaftsinfrastruktur, in Forschung und Entwicklung und Digitalisierung. Klar ist damit, dass hier hauptsächlich der öffentliche Sektor angesprochen ist. Es geht um Brücken, Straßen, Schulen, Verwaltungsgebäude. Was bedeutet das für die Immobilienwirtschaft?
Die Details sind noch offen
Das Problem: Man weiß es noch nicht genau. Denn die Koalitionsverhandlungen, in denen Details festgelegt werden dürften, laufen noch. „Entscheidend wird sein, wie zielgerichtet und investitionswirksam die Mittel eingesetzt werden“, sagt Dirk Wohltorf, Präsident des Immobilienverbands Deutschland IVD. Ähnlich sieht es Jens Böhnlein, Vorstandsvorsitzender des Berufsverbands der Immobilienspezialisten RICS Deutschland. Er setzt auf die Sogwirkung des Sondervermögens, auch um das Land attraktiver für zusätzliches Investitionskapital zu machen.
Einen anderen Akzent setzt Sascha Klaus, CEO der Berlin Hyp. Er hält zwar „positive Effekte“ des Sondervermögens für die Immobilienwirtschaft für möglich. Zuerst müssten „aber die Rahmenbedingungen verbessert werden“, sagte er der Börsen-Zeitung. Klaus hofft auf signifikante Verbesserungen im Bereich von Bürokratie, Ausschreibungs- und Genehmigungsprozessen.
Indirekte, aber größere Wirkung
Nach Meinung von Konstantin Kortmann, CEO Deutschland von JLL, wird das Infrastrukturpaket eine indirekte, dafür umso größere Wirkung (als das Verteidigungspaket) entfalten. Es gebe „eine natürliche Nähe zwischen Infrastruktur und Immobilien zum Beispiel in der Energieversorgung von Wohngebieten oder der Logistik“. Diese Verzahnung von Infrastruktur und Immobilien ist für Phoebe Smith, Managing Director bei Patrizia Infrastructure, schon jetzt einer der wichtigsten Trends in der Immobilienbranche. Als Beispiel verweist sie auf die Fernwärmenetze in Berlin und München, deren Ausbau erhebliche Mittel erfordere.
Keine Frage: Investitionen in Schulen, Kitas und öffentliche Gebäude sind dringend notwendig. Privates Kapital kann hier über Public-Private Partnerships unterstützend wirken. Erste Ansätze gab es schon. Da ist aber sicherlich noch deutlich mehr möglich. Letztlich kommt es darauf an, „wie zielgerichtet und effizient die Mittel eingesetzt werden“, sagt Sarah Červinka, Managing Partner Knight Frank München.
100 Mrd. Euro für Länder und Kommunen
Im Rahmen des 500 Mrd. Euro schweren Pakets sind 100 Mrd. für Länder und Kommunen vorgesehen. Welchen Anteil die Kommunen bekommen werden, ist offen. Der Wiesbadener Oberbürgermeister Gert Mende fordert in Übereinstimmung mit seinen Amtskollegen schon mal einen „fairen Anteil“ für Schulen, Sportstätten, den Klimaschutz und den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. Unbestritten ist, dass die 100 Mrd. Euro bei weitem nicht ausreichen werden. Der Sanierungsbedarf ist deutlich höher. Um hier Entlastung zu schaffen, fordert Isabella Chacón Troidl von BNP Paribas REIM Deutschland serielles Bauen, digitale Genehmigungen, Umnutzung von Bestandsimmobilien und technologieoffene Klimastrategien. Damit greift sie jüngste Forderungen des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) auf.
Attraktivität steigt
Der Ausbau von Straßen, Bahn, Flughäfen und Digitalisierung könnte in Städten Bürogebäude wieder attraktiver machen. Die dadurch verbesserte Anbindung ländlicher Regionen könnte wiederum die Nachfrage nach Wohnungen stützen und die Verödung ländlicher Regionen aufhalten oder diesen Trend sogar umkehren. Nachhaltige Mobilität dient auch dem Klimaschutz.
Ein großer Teil der Infrastrukturinvestitionen soll nachhaltigen Technologien und Klimaschutzmaßnahmen zugutekommen. Das könnte den Trend zu „grünen“ Immobilien, die besonders energieeffizient gebaut sind, verstärken. Das wäre dringend nötig, um die Klimaneutralität bis 2045 doch noch zu schaffen. Im Moment sieht es ja nicht danach aus.
Stärkere Inanspruchnahme der Kapitalmärkte
Das Programm wird über Kredite des Bundes finanziert, sprich der Bund wird auf dem Kapitalmarkt vermehrt Mittel über Bundesanleihen aufnehmen. Die erhöhte Nachfrage wird also zu steigenden Zinsen führen, die allerdings durch die expansive Politik, also Zinssenkungen der EZB, konterkariert werden. Trotzdem wird unterm Strich mit einem Anstieg der Hypothekarzinsen gerechnet. Der erfahrene Immobilien-Researcher Günter Vornholz erwartet, dass die Bauzinsen zum Jahresende knapp über 4,0% liegen werden. Damit wird (fremdfinanziertes) Bauen und Kaufen teurer und die Preise müssten steigen.
Um den „enormen Druck“ auf die Immobilienwirtschaft zu mildern, fordert ZIA-Präsidentin Iris Schöberl „zielgenaue Fördermittel aus einem Guss“ und Digitalisierung als Selbstverständlichkeit, damit „zwischen bauen wollen und bauen nicht mehr so viel Zeit vergeht.“
Aufschwung könnte gebremst werden
Höhere Zinsen, eine verringerte Renditelücke zu Staatsanleihen und die zunächst noch vorherrschende Banken-Zurückhaltung könnte den Aufschwung an den Immobilieninvestmentmärkten bremsen, fürchtet Nicolai Baumann von Avison Young Deutschland. Gegenläufig wirken könnte aber das durch das Investitionsprogramm angeschobene Wirtschaftswachstum und ein – auch geopolitisch – verstärkter Fokus vieler Investoren auf Europa und Deutschland.
Die durch das Investitionsprogramm erhöhte Nachfrage könnte auch zu höheren Baukosten führen. Allerdings klagen sowohl Tief- als auch Hochbau über einen Auftragsmangel. Zugleich herrscht in der Bauindustrie Fachkräftemangel, der schon heute in einigen Bereichen zu Kapazitätsengpässen führt. Die Sorge von Paul H. Muno von Sicore Real Assets, „dass ein staatliches Investitionsprogramm dieser Größe ein ‚Crowding-out auf der Baustelle‘ zur Folge haben dürfte“, erscheint damit nicht unbegründet.
Noch mehr Probleme
Höhere Bau- und Finanzierungskosten könnten die auf Kredite angewiesenen Projektentwickler vor (noch) größere Probleme stellen. Höhere Verkaufspreise aufgrund von umgelegten Finanzierungskosten ließen sich am Markt nur schwer durchsetzen. Das könnte zu wieder mehr Pleiten bei Projektentwicklern führen.
Was bleibt unterm Strich von dem 500-Mrd.-Euro-Wumms für die Immobilienbranche zu erwarten? Leicht erhöhte Zinsen auf der einen und eine erhöhte Nachfrage auf der anderen Seite. Immobilien-Volkswirt Vornholz erwartet keinen Double Dip, also nach einer kurzen Erholung wieder den Rückfall in die Rezession, „sondern – wenn überhaupt – eine Verzögerung des Aufschwungs“. Diesem optimistischen Fazit würden sich wohl die meisten Beobachter anschließen.