Washington

Chaos am Himmel über Amerika

Die größte Billig-Airline der USA hat in den Tagen nach Weihachten heillose Verwirrung im zivilen Flugverkehr angerichtet. Das ruft sogar Politiker in Washington auf den Plan.

Chaos am Himmel über Amerika

Tausende gestrichene Flüge, gestrandete Passagiere, die nach einem Weihnachtsfest mit Verwandten die Heimreise nicht antreten konnten und am Flughafen schlafen mussten, verlorenes Gepäck und halbherzige Entschuldigungen seitens der verantwortlichen Airline: Unmittelbar nach den Festtagen, in einer der reiseintensivsten Wochen des Jahres, herrscht Chaos am Himmel über Amerika. Zwar trägt zu dem Debakel im zivilen Flugverkehr jener Wintersturm bei, den New Yorks Gouverneurin Kathy Hochul als den „Blizzard des Jahrhunderts“ bezeichnete. Als dieser aber längst über weite Teile der USA hinweggezogen war, erreichten die heillose Verwirrung und der Zorn der Passagiere einen neuen Höhepunkt. Schuld daran waren offenbar IT-Pannen bei dem Billigcarrier South­west Airlines, dessen Kundendienst und Buchungssystem mit einer Software aus den neunziger Jahren arbeiten.

Allein in den Tagen nach Weihnachten strich das in Dallas ansässige Unternehmen über 5000 Flüge und hatte am Dienstag 90% aller US-Verbindungen, die abgesagt wurden, auf dem Gewissen. Damit nicht genug: An Flughäfen in Atlanta, Denver, Las Vegas, Baltimore und anderen Großstädten waren am Kundenschalter Menschenschlangen zu sehen, die sich um weite Teile der Flughafenterminals rankten. Sie hofften, nach Stornos in letzter Minute die nächste Verbindung zu ihrem Heimatflughafen buchen zu können. Waren Passagiere nach geduldigem Warten schließlich am Ziel, dann die nächste böse Überraschung: Viele Flüge waren bereits bis Ende der Woche gestrichen worden.

„Ich wollte am Dienstagabend mit meiner Familie wieder zu Hause sein, doch die früheste Verbindung nach Atlanta, die uns angeboten wurde, war für den 3. Januar!“ schimpfte Darryl aus Athens im US-Bundesstaat Georgia. Für andere hat das Desaster handfeste, monetäre Folgen. Leroy Tompkins wollte vom Flughafen Baltimore-Washington International nach Miami fliegen, um von dort aus mit einem Kreuzfahrtschiff zweieinhalb Wochen durch die Karibik zu reisen. Der etwa zweistündige Flug hätte ihn problemlos früh genug nach Florida gebracht, um pünktlich zur Abfahrt des Schiffes um 15 Uhr anzukommen. „Nun ist nicht nur das Geld futsch, ich kann außerdem meine Urlaubspläne begraben.“

Chris Perry, ein Sprecher der Airline, sprach von „Störungen in unserem gesamten Netzwerk als Folge des Wintersturms“. Das größte Problem bestehe darin, das Flugpersonal sowie die Maschinen selbst an den richtigen Flughafen zu befördern, so Perry. Deutlicher wurde Mike Santoro, Vizepräsident der Southwest-Pilotengewerkschaft. „Wir haben es satt, uns immer wieder für die Pannen entschuldigen zu müssen.“ Das Problem besteht laut Santoro darin, dass sich das Management über Jahre geweigert hat, in neue IT zu investieren. Dies habe dazu geführt, dass sowohl bei Buchungen und Umbuchungen als auch der Koordination der Reiserouten für das Bordpersonal totale Verwirrung herrschte.

Wie der Luftverkehrsexperte David Slotnick schildert, hängt das Durcheinander auch damit zusammen, dass Southwest im Gegensatz zu anderen Fluggesellschaften nicht Hubs, also Drehkreuze verwendet, die angeflogen werden und von denen aus Passagiere weiterreisen, „sondern ein sogenanntes Point-to-Point-System, bei dem die Endziele direkt angeflogen werden“, erklärt Slotnick. Bei normalem Verkehrsaufkommen sei das kostengünstig, dafür aber besonders anfällig für Störungen, die dann einen Schneeballeffekt entfalten können.

Das Flugchaos hat mittlerweile das Verkehrsministerium in Washington veranlasst, Ermittlungen aufzunehmen. Die Dauer und Zahl der stornierten oder verspäteten Flüge sei „inakzeptabel“, sagte Verkehrsminister Pete Buttigieg. Southwest bietet gestrandeten Passagieren prompt die Rückerstattung des Flugpreises oder eine Gutschrift für einen künftigen Flug an. Das aber geht einigen Politikern nicht weit genug. Die demokratischen Senatoren Richard Blumenthal und Edward Markey verlangen, dass Southwest Airlines großzügige Entschädigungen an die tausenden betroffenen Passagiere zahlt, denen das Chaos ihren Weihnachtsurlaub verdorben hat.