Chief Restructuring Officer dringend gesucht
Chief Restructuring Officer dringend gesucht
Die Zahl der Restrukturierungen steigt, doch CROs sind Mangelware. Damit neue Gesichter in die Branche einsteigen können, müssen auch die Banken mitspielen.
Von Sabine Reifenberger, Frankfurt
Wenn ein Unternehmen in Schieflage gerät, schlägt die Stunde der Chief Restructuring Officer. Sie sollen helfen, die Liquidität zu sichern, das Geschäft wieder nachhaltig aufzustellen und Arbeitsplätze langfristig zu erhalten. Der Druck ist hoch: Für die Unternehmen geht es in der Krise ums Überleben, für die Finanzierer geht es um viel Geld. Bei der Auswahl der CRO-Kandidaten gilt daher meist die Devise „keine Experimente“. „Wenn eine Bank schon einmal mit einem CRO gut zusammengearbeitet hat, bringt sie diesen Namen auch beim nächsten Krisenfall ins Spiel“, sagt Michael Hengstmann, Gründer und Geschäftsführer des Interim-Management Dienstleisters Executive Interim Partners (EIP).
Doch ein Mandat dauert häufig Monate, mitunter Jahre. Mit steigender Zahl der Restrukturierungsfälle sind die Wunsch-Sanierer deshalb oft bereits beschäftigt. „Wir haben da ein Bottleneck“, konstatiert Hengstmann.
Branche mit Nachwuchsproblem
Nicht alle Restrukturierer wollen zudem als Geschäftsführer oder Vorstand agieren, da dies größere haftungsrechtliche Risiken mit sich bringt. Einige beschränken sich daher auf eine Tätigkeit als Generalbevollmächtigte.
Zu allem kommt in der Branche noch ein Nachwuchsproblem hinzu. „Wir sind zu viele alte, weiße Männer“, sagt Hengstmann, der selbst 60 Jahre alt ist. Es fehle an Nachwuchs, zudem würden sich nur wenige Frauen für eine CRO-Karriere entscheiden. In seinem eigenen Beratungshaus seien unter 35 Senior-Kräften nur zwei Partnerinnen. „In anderen Restrukturierungsberatungen ist der Anteil an Frauen leider ähnlich niedrig.“
Wir sind zu viele alte, weiße Männer.
Michael Hengstmann, Executive Interim Partners
Auch bei der Unternehmensberatung Alix Partners sind Frauen im Bereich Restrukturierung aktuell in der Minderzahl. „Selbstverständlich möchten wir deutlich mehr Frauen in unserem Team haben – und dafür tun wir auch eine ganze Menge“, sagt Rainer Bizenberger, Partner & Managing Director bei dem Beratungshaus und Co-Leiter des Facharbeitskreises Restrukturierungsberatung bei dem Restrukturiererverband TMA Deutschland. Dabei gehe es auch um pragmatische Lösungen. So sei es etwa möglich, dass Kinder und eine betreuende Begleitperson zu Dienstreisen mitkommen.
Bizenberger, der selbst regelmäßig als CRO im Einsatz ist, agiert bei Alix Partners auch als Mentor für neue CRO-Kandidaten. Interessenten begleiten dabei erfahrene Restrukturierer auf einem Mandat, etwa im Beratungsteam eines CRO. „Das ist ein guter Weg, um ‚on the job‘ verschiedene Stakeholder kennenzulernen“, findet Bizenberger. Auch sein eigenes Netzwerk habe er vor über 20 Jahren durch erste Einsätze in der Restrukturierungsberatung aufgebaut. Bizenberger sieht die Chance, dass Banken insbesondere bei weniger komplexen Restrukturierungen offener auf neue CRO-Profile reagieren. „Es muss ja niemand mit einem Milliardenmandat starten.“
Training für Restrukturierer
Doch gerade für jüngere Restrukturierer, die noch kein bekannter Name in der Branche sind, ist der Einstieg in die CRO-Karriere holprig, beobachtet Hengstmann. Er arbeitet zurzeit an einem Trainingsprogramm für Nachwuchskräfte. Die Inhalte entstehen in Zusammenarbeit mit Henning Werner, Professor für Transformation, Restrukturierung & Sanierung an der privaten Fachhochschule des Bildungsunternehmens SRH Holding in Heidelberg.
Von den 35 EIP-Beschäftigten sind knapp ein Dutzend bereits als CROs aktiv, ein großer Teil der anderen Restrukturierer hat Hengstmann zufolge Interesse an der Weiterbildung bekundet. „Wir wollen mit dem eigenfinanzierten Seminar die Basis verbreitern“, sagt er. Die inhaltlichen Schwerpunkte würden derzeit erarbeitet.
Mit Vertretern aus verschiedenen Banken diskutiert er darüber, auf welche Kompetenzen sie bei Restrukturierern besonders viel Wert legen. „Wir müssen auch die Restrukturierungsabteilungen der Banken mit an Bord haben, damit sie neue CROs auch akzeptieren“, ist Hengstmann überzeugt. Neben Branchenwissen würden Umsetzungskompetenz, Durchsetzungsvermögen, Kommunikationsgeschick und Führungsfähigkeiten dabei als Wunscheigenschaften besonders häufig genannt.
Steigender Bedarf
Die TMA hat im Vorfeld ihrer Jahrestagung im November ein Stimmungsbild unter Bankvertretern erhoben – alle waren sich einig, dass der Bedarf für CROs steigen werde. Die Verfügbarkeit an CROs bewertete die Mehrheit dagegen als „nicht ausreichend“. Immerhin: Die eigene Bereitschaft, ein neues CRO-Profil zu testen, stuften 80% der Befragten als „mittel“ ein. „Alle Beteiligten sind sich darüber im Klaren, dass es eine höhere Bereitschaft braucht, mit neuen CROs zusammenzuarbeiten“, sagt Bizenberger. Im TMA-Arbeitskreis werde intensiv diskutiert, wie man Banken und Restrukturierernachwuchs in Kontakt bringen könne, etwa über Networking-Formate. Der Branchenverband will dazu beitragen, dass neue Profile in Finanzkreisen bekannter werden, auch unabhängig von konkreten Restrukturierungsfällen.
Als wichtigste Fähigkeit, die ein CRO mitbringen soll, stuften die Banken in der TMA-Umfrage das Stakeholder Management ein. Die Restrukturierer sollen verschiedene Interessen ausgleichen und zwischen Positionen vermitteln können. Außerdem sind zeitliches Commitment und die Persönlichkeit gefragt – diese Aspekte sind den Banken deutlich wichtiger als etwa Branchenexpertise. „Partikularinteressen führen in einer Restrukturierung nicht weiter. Ein CRO muss daher eine Persönlichkeit sein, die Brücken zwischen den Stakeholdern bauen kann“, sagt Bizenberger.
Ein CRO muss eine Persönlichkeit sein, die Brücken zwischen den Stakeholdern bauen kann.
Rainer Bizenberger, Alix Partners
Während sich fachliche Qualifikationen vermitteln lassen, sind diese persönlichen Eigenschaften allerdings in der Theorie kaum zu erlernen. Die geforderte Führungskompetenz kommt erst mit einigen Jahren Berufserfahrung. Ein neuer CRO-Kandidat ist daher keine klassische Nachwuchskraft, die frisch von der Uni kommt. „Wenn wir von ‚jungen‘ CROs sprechen, dann sind das Menschen, die Mitte oder Ende 40 sind“, sagt Hengstmann.
Die Banken würden von erfahrenen Restrukturierern zunehmend erwarten, dass diese sich stärker um die Nachwuchsgewinnung kümmern, beobachtet er. Selbst setzt er auf einen Tandem-Ansatz: „Dann arbeiten ein erfahrener und ein jüngerer CRO gemeinsam auf einem Mandat.“ Die CRO-Kandidaten könnten an Bankensitzungen teilnehmen, die Abläufe der Restrukturierung kennenlernen – umgekehrt hätten die Bankenvertreter Gelegenheit, die CRO-Kandidaten kennenzulernen, ihre Arbeitsweise mitzuerleben und Vertrauen aufzubauen.
Fordernde Aufgabe
Auch für die Interessenten sei ein Tandem-Mandat eine gute Gelegenheit, um zu prüfen, ob eine CRO-Karriere infrage kommt. „Das merkt man erst in der Praxis“, ist Hengstmann überzeugt. Die Aufgabe sei körperlich und mental fordernd. Restrukturierungen nehmen keine Rücksicht auf Feierabend- oder Wochenendgestaltung, oft müssen unter großem Zeitdruck weitreichende Entscheidungen getroffen werden. „Als CRO muss man auch unschöne Botschaften überbringen, etwa wenn ein Unternehmen Arbeitsplätze streicht.“ Für die Betroffenen sind das emotionale Ausnahmesituationen. Von Tränen über Schockstarre bis hin zu offenen Drohungen hat Hengstmann schon ein breites Spektrum an Reaktionen miterlebt. „Das muss man aushalten können.“
Das Sozialleben leide während eines Mandats, räumt der CRO ein. „Die harte Phase der Restrukturierung dauert häufig sechs bis neun Monate. Während dieser Zeit müssen Hobbies und Sozialleben zurückstecken.“ Dennoch würde Hengstmann sich wieder für die CRO-Tätigkeit entscheiden. „Es ist aber eine unglaubliche Befriedigung, wenn ein Unternehmen nach der harten Restrukturierungsphase wieder solide dasteht und langfristig sichere Arbeitsplätze bieten kann.“ Er hofft, dass sich auch weitere Kandidaten für die Tätigkeit begeistern können. Im ersten Quartal 2025 soll das CRO-Trainingskonzept starten.
Bizenberger hat sich für die Restrukturierungsarbeit entschieden, weil ihn die breite Palette an strategischen und fachlichen Themen gereizt hat, berichtet er – dieser Aspekt komme auch heute bei den jüngeren Kolleginnen und Kollegen an. „Das Interesse ist da. Es gibt qualifizierte junge Restrukturierer, die Lust haben, selbst eine CRO-Rolle zu übernehmen“, beobachtet er. Nun gelte es, in der Branche den Weg dafür zu ebnen. „Wir müssen sie diese Erfahrung auch sammeln lassen.“