Ukraine-Krise

China und Russland: Blen­dende Beziehung

China und Russland ziehen vereint gegen den Westen? Wohl kaum. Letzterer sollte sich von der Beziehung der beiden Länder nicht blenden lassen.

China und Russland: Blen­dende Beziehung

Zum Schrecken der westlichen Welt scheint China im Ukraine-Konflikt gemeinsame Sache mit dem Aggressor Russland zu machen und einem außer Rand und Band geratenen Wladimir Putin auf seinem völkerrechtswidrigen Invasionskurs den Rücken zu stärken. Halten hier zwei mit atomaren Arsenal und Cyberkriegsfähigkeiten bis an die Zähne bewaffnete territoriale Riesen wie Pech und Schwefel zusammen und stellen die seit Jahrzehnten von der Hegemonialmacht USA samt ihren westlichen Verbündeten geprägte Weltordnung in Frage? Wie soll man in Washington, Berlin, London und Paris darauf reagieren? Nun, erstes Gebot ist es wohl, einmal die Ausgangshypothese zu prüfen.

China und Russland ziehen blutsbrüderlich vereint und zu gemeinsamen Opfern be­reit in den Kampf gegen den Westen? Chinesen schütteln sich vor Lachen bei dieser Vorstellung, die dem Bildungsbürger in Europa einen gehörigen Schrecken einzujagen vermag. Die Realität sieht et­was anders aus. Sowohl auf Ebene der Volksmeinung wie auch in Pekinger Führungszirkeln gibt es im Kontext reichhaltiger historischer Erfahrungen einen klaren Konsens zu Russland: Man traut sich grundsätzlich nicht über den Weg und spürt keine Wärme, ist aber unter geeigneten Voraussetzungen durchaus zu strategischen Partnerschaften bei lautstarker freundschaftlicher Bekundung bereit.

In den Anfangsjahren der Volksrepublik unter Mao sprachen Chinesen respektvoll von „Sulian Lao Da Ge“, dem „alten großen Bruder Sowjetunion“, von dem man eifrig kommunistische Insignien und politische Ordnungsstrukturen abkupferte, zu dem man als damals bettelarmes Agrarland wirtschaftlich aufschaute und von dem man bisweilen Lastwagen und Traktoren geschenkt bekam. In den gut 20 Jahren, seit Putin an der Macht ist, hat sich das Bild drastisch gewandelt. China schaut nun als globaler Wirtschaftsgigant auf Russland herab, das im Begriff ist, beim Bruttoinlandsprodukt von Korea überholt zu werden.

Chinas Parteiführung bezieht einen wesentlichen Teil der Legitimation ihres Herrschaftsanspruchs aus wirtschaftlicher Kompetenz und eindrucksvollen Wohlstandsmehrungserfolgen für immer breitere Bevölkerungsschichten. Man sonnt sich im Status wachsender geopolitischer, wirtschaftlicher und technologischer Macht, während Russland unter der Regie des Ex-Geheimdienstlers Putin wirtschaftlich arm und lediglich militärisch gefährlich geblieben ist. In dieser Konstellation hat Peking im Gegensatz zu Moskau auch gegenüber der eigenen Bevölkerung einen Ruf zu verlieren, wenn man sich auf gefährliche geopolitische Manöver einlässt, die im Zuge von westlichen Sanktionen der eigenen Wirtschaft schaden.

Chinas Präsident Xi Jinping hat sich bei der zur Pekinger Winter-Olympiade inszenierten Verbrüderungsshow mit Putin, der Betonung von „blendenden Beziehungen“ mit unbegrenzter Kooperationstiefe und dem gemeinsamen Pamphlet zur Wachablösung der US-Globalhegemonie weit aus dem Fenster gelehnt. Keine drei Wochen später wurde er von Putins Masche mit der für Chinas Territorialverständnis völlig inakzeptablen Anerkennung von Separatistengebieten und der militärischen Attacke auf ein Land, mit dem sich China gut versteht, böse überrumpelt.

Nun gilt es, die Contenance zu wahren, den Kopf vorsichtig zurückzuziehen und das Heft wieder in die Hand zu nehmen. Am Freitag ließ Chinas Staatsfernsehen wissen, dass Xi mit Putin telefoniert und ihn dazu ermuntert habe, zur Entschärfung des Konflikts den direkten Dialog mit dem ukrainischen Präsident aufzunehmen. Der Staatsmann Xi bringt den Hitzkopf Putin zur Räson, lautet die dahinterstehende Botschaft.

Bezeichnenderweise wurde ebenfalls am Freitag verkündet, dass Chinas Politbüro nach einer Sitzung unter Führung von Xi verstärkte wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Stabilisierung der Konjunktur beschließt. Ukraine hin oder her, Chinas Wirtschaftsinteressen haben Priorität. Und diese sind wesentlich stärker von den Beziehungen zu Amerika und der EU geprägt als vom praktisch nur zum Energielieferanten taugenden Handelspartner Russland. Entsprechend sollten sich die westlichen Alliierten von den vermeintlich blendenden Beziehungen zwischen China und Russland nicht blenden lassen. Es gilt, nicht über eine vermeintlich neue Weltordnung unter chinesisch-russischer Ägide zu lamentieren, sondern ein gesundes Selbstbewusstsein darüber zu entwickeln, dass China sich aus „Freundschaft“ zu Russland niemals einen Bruch mit dem Westen erlauben kann. (Börsen-Zeitung, 26.2.2022)

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