China wandelt nicht auf Japans Pfaden
China nicht auf Japans Wegen
Von Martin Fritz
Erstmals seit mindestens zwei Jahrzehnten bringen 30-jährige Staatsanleihen in China weniger ein als Staatsanleihen mit gleicher Laufzeit in Japan: 2,21% in China und 2,27% in Japan. Die Gründe liegen auf der Hand: Der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt droht eine längere Zeit der Deflation. Die historische Entwicklung in Japan zeigt, dass unter diesen Umständen Staatsanleihen im Wert steigen und ihre Renditen sinken. Die Bank of China und die Regierung lockern zwar ihre Geld- und Fiskalpolitik. Aber am Finanzmarkt hält man die Maßnahmen nicht für ausreichend genug.
Steigende Zinsen in Japan
Währenddessen ist in Japan die Inflation nach fast drei Jahrzehnten stagnierender oder leicht fallender Preise und Löhne zurückgekehrt. Daher hat die Bank of Japan ihre ultralockere Geldpolitik beendet und entgegen dem Trend in den USA und dem Euro-Raum ihre Zinsen erhöht. Mitte Dezember könnte die Zentralbank den Leitzins auf 0,5% zum dritten Mal in diesem Jahr anheben, da die Kerninflation (ohne frische Lebensmittel) weiter über ihrem Ziel von 2% liegt.
Die offensichtliche Parallele zwischen beiden Ländern ist eine geplatzte Immobilienblase. In der Folge litt Japan ab Anfang der 1990er Jahren an einer langen Stagnation. Doch Chinas heutige Probleme sind anders gestrickt. In Japan gab es damals keine Schattenbanken, keine überschuldeten Lokalregierungen und keine Überkapazitäten in zahlreichen Industrien.
Keine automatische Japanisierung
Der Anteil des Privatkonsums am Bruttoinlandsprodukt war deutlich höher und die Japaner deutlich reicher als die Chinesen. Zudem ist Chinas Staat heute schon doppelt so hoch verschuldet wie Japans, als die Luft aus dessen Blase entwich. So naheliegend der Ausdruck „Japanisierung“ ist, so wenig wird dieses Schlagwort den ökonomischen Unterschieden gerecht.
Eine kurzfristige Trendumkehr bei den 30-jährigen Renditen ist durchaus möglich. Chinas Wirtschaft könnte die von Trump angekündigten, schon eingepreisten Zollerhöhungen besser verkraften als erwartet. Auch könnte eine schwächere Inflation in Japan den fünfjährigen Aufwärtstrend der langfristigen Renditen beenden.