Chipjäger China gerät ins Stolpern
Große Worte und Erfolgsversprechen zu Chinas Aufholjagd im Chipsektor haben einen festen Platz in der staatlichen Medienkommunikation. Mit wachsenden geo- und industriepolitischen Streitigkeiten zwischen China und Amerika nehmen die Restriktionen für den Zugang zu westlicher Technologie zu. Peking hat dies zum Anlass für eine gigantische staatliche Aufrüstungskampagne in Sachen Chiptechnologie genommen. Sie ist in die breitere strategische Stoßrichtung einer weitgehenden wirtschaftlichen Autarkie Chinas eingebettet. Die Reduzierung der Abhängigkeit vom Technologiespektrum des großen Kontrahenten USA wird als Erfolgsrezept für den weiteren Aufstieg als Wirtschaftsnation und Weltmacht angesehen.
Die jüngste Eskalierung des Taiwan-Konflikts erhöht die Intensität der wirtschaftlichen Konfrontationen zwischen den beiden Weltmächten. Der August hat es nicht nur wegen der Taiwan-Visite der US-Politikerin Nancy Pelosi in sich, sondern auch wegen neuer Maßnahmen der US-Regierung, die darauf abzielen, den traditionellen Hightech-Vorsprung gegenüber China zu erhalten. Gerade hat der US-Kongress den Chips and Science Act auf den Weg gebracht. Das Gesetz mobilisiert mehr als 50 Mrd. Dollar für die Finanzierung von Halbleiterprojekten in den USA und weist eine dezidierte Anti-China-Komponente auf. Erstmals werden mit Subventionen finanzielle Anreize für westliche Firmen gesetzt, sich von China-Geschäft und der Zulieferung sensibler Technologie fernzuhalten. Parallel dazu hat Washington neue Exportkontrollen für Technologie zur Produktion von hoch entwickelten Chips verhängt.
Dass die USA trotz zerrütteter politischer Verhältnisse in Washington an einem Strang ziehen, bedeutet ein rüdes Erwachen für Peking zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Gegenwärtig nämlich stößt die nationale Chipkampagne auf unerwartete Hindernisse und droht sich im Korruptionsfilz zu verfangen. Die ersten Köpfe rollen schon. Ende Juli kam die Nachricht, dass der langjährige Minister für Industrie und Informationstechnologie Xiao Yaqing wegen Disziplinarvergehen, sprich Korruptionsverdacht abberufen wurde. Wenige Tage später erwischte es den Generalmanager des National Integrated Circuit Industry Investment Fund, Ding Wenwu. Das staatliche Investmentvehikel wird in China ehrfurchtsvoll als „Big Fund“ bezeichnet. Die zentrale Geldschleuder soll mit Beteiligungen und Finanzierungshilfen alles heranfüttern, was der großen staatsgeleiteten Chipoffensive dient. Weitere Ermittlungsverfahren betreffen Verantwortliche der einst als Chinas Halbleiterchampion gefeierten, aber unter Missmanagement und Verschuldungslasten zusammengebrochenen Tsinghua Unigroup.
Jede Menge offene Fragen stellen sich auch zum Chipauftragsfertiger und Hoffnungsträger SMIC, der als heimische Antwort auf den globalen Branchenführer TSMC aus Taiwan gedacht ist. SMIC wurde durch staatliche Mitteleinschüsse und ein Zweitlisting an der Börse Schanghai in den vergangenen zwei Jahren gewaltig mit Kapital gefüttert und produziert auch Erfolgsmeldungen. Kürzlich hieß es, man habe die ersten Chips im 7-Nanometer-Format produziert und damit in kurzer Zeit zwei Entwicklungsgenerationen übersprungen. Wegen fehlenden Zugriffs auf neueste Lithografie-Maschinen erfordert die Herstellung der leistungsfähigeren hausgemachten Chips aber komplizierte Umwege. Sie machen eine Massenproduktion so prohibitiv teuer, dass sie schlecht zu einem ertragsorientierten und börsennotierten Unternehmen passt, das international konkurrenzfähig sein soll.
SMIC hat damit die unappetitliche Wahl, sich mit ruinösen Anstrengungen bei der neuen Chipgeneration zum Darling Pekings zu machen oder aber mit weniger anspruchsvollen Chips kommerzielle Erfolge zu feiern. Dass es sich um eine Zerreißprobe handelt, sieht man daran, dass Spitzenmanager der SMIC, darunter frühere TSMC-Größen, serienweise das Handtuch geworfen haben. Zudem sind alle ausländischen Branchenexperten, auf die man bei SMIC lange stolz war, im Board ausgeschieden. Die Vorgänge beim Big Fund und auch bei SMIC bedeuten einen Realitätscheck. Mit der von Peking verfolgten Abschottungsstrategie mag es gelingen, unter monströsem Aufwand technologische Fortschritte zu erzielen, die auf sicherheitspolitischer Ebene ein gutes Gefühl erzeugen. Auf wirtschaftlicher Ebene sind damit aber keine Blumentöpfe zu gewinnen und schon gar nicht der Aufbruch zu einer globalen Dominanz im Chipsektor.(Börsen-Zeitung, 25.8.2022)