Notiert inLondon

Concorde: Im Morgen von Gestern

Die Menschheit war schon einmal weiter. Mit der Concorde flog man in drei Stunden von New York nach London.

Concorde: Im Morgen von Gestern

Notiert in London

Im Morgen von Gestern

von Andreas Hippin

Die Kabine der Concorde Alpha Foxtrott vermittelt den Eindruck, dass das Überschallflugzeug jederzeit wieder abheben könnte. Auf dem Trolley steht das edle Porzellangeschirr, das einst in 18 km Höhe zum Einsatz kam. Die Seifenspender von Molton Brown in den WCs müssten nur nachgefüllt werden.

Die Maschine mit der Kennung G-BOAF steht in einem Museumshangar, ganz in der Nähe des Hauptsitzes des Herstellers British Aerospace (heute BAE Systems). Rund um den ehemaligen Flughafen Filton, der 2012 geschlossen wurde, haben sich eine Menge Unternehmen aus der Luft- und Raumfahrt angesiedelt. Auf dem Weg zu „Aerospace Bristol“ finden sich Schilder, die den Weg zu Airbus, GKN und MBDA UK weisen. 

Rückkehr zum Hersteller

Es ist die letzte Concorde, die gebaut wurde. Die blauen Ledersitze wirken gemütlich. Aber wenn man bedenkt, dass die Tickets teurer waren als ein First-Class-Flug in einer Unterschallmaschine, bekam man außer Champagner wenig Komfort geboten. Für viele Passagiere lag der entscheidende Vorteil darin, die Strecke von London nach New York in drei Stunden hinter sich bringen zu können. Bis heute ist man in der Regel mehr als doppelt so lange unterwegs.

Seitdem ein Unfall beim Start einer Concorde von Air France vom Pariser Flughafen Charles de Gaulle vor einem Vierteljahrhundert 113 Menschen das Leben kostete, waren die Tage der „Königin der Lüfte“ endgültig gezählt. Am 11.9.2001 sorgten islamistische Terroranschläge dafür, dass der Flugverkehr weltweit einbrach. British Airways stellt ihre Concorde-Flüge im Oktober 2003 ein. Der letzte Flug brachte das Flugzeug mit der Kennung G-BOAF vom Londoner Flughafen Heathrow zurück ins Herstellerwerk in Filton.

Von Staatshilfen beflügelt

Seitdem hat es kein vergleichbares Flugzeug gegeben. Das mag daran liegen, dass sich die Menschen, die sich keine Concorde-Tickets leisten konnten, mit dem Überschallknall der Maschinen nicht abfinden wollten. Während der Ölkrise wurde zum Thema, dass der Treibstoffverbrauch vier Mal so hoch war wie der einer Boeing 747, die 500 Passagiere befördern konnte.

Möglich wurden Entwicklung und Produktion nur dank großzügiger staatlicher Hilfen. Zudem verhinderte die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Briten und Franzosen einen vorzeitigen Ausstieg einer der beiden Seiten.

Concorde ohne Nachfolger

Das US-Start-up Boom Supersonic will zwar ein Überschallflugzeug bauen. Doch ihr Modell Overture kann nur 80 Passagiere befördern. Der historische Vorgänger kam auf 100. Boom Supersonic gibt als Reisegeschwindigkeit Mach 1,7 an. Bei der Concorde lag sie bei Mach 2,0. Immerhin, die Flugdauer nach New York würde sich auf dreieinhalb Stunden verkürzen, wenn Overture einmal an den Start geht.

Kein Wunder, dass in Filton die Faszination überwiegt, wenn die Museumsbesucher in kleinen Gruppen in die Kabine der letzten Concorde gelassen werden. Dort wird greifbar, wie man sich einmal die Zukunft vorstellte.

Fliegende Kisten

In der Nachbarhalle finden sich Ausstellungsstücke, die ein Jahrhundert Luftfahrtgeschichte in Bristol widerspiegeln. Darunter ist ein Nachbau eines „Bristol Boxkite“-Doppeldeckers, der für den Film „Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“ angefertigt wurde. Und in einem Hangar aus dem ersten Weltkrieg kann man zusehen, wie freiwillige Restauratoren mit viel Liebe aus Flugzeugüberresten neue Exponate machen.

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