„Cool Japan“ pfeift auf dem letzten Loch
Ein staatlicher Finanztopf für die Förderung japanischer Popkultur im Ausland ist leer: Rund ein Jahrzehnt nach seiner Etablierung schreibt der „Cool Japan“-Fonds tiefrote Zahlen. Bisher mit 117,3 Mrd. Yen (820 Mill. Euro) ausgestattet, davon über 90% aus Steuermitteln, steht der Fonds jetzt mit 30,9 Mrd. Yen (216 Mill. Euro) in den Miesen. Die Bürokratie reagierte typisch: Das verantwortliche Wirtschaftsministerium METI möchte Geld nachschießen und dabei bis 2026 in die Gewinnzone zurückkehren. Das Finanzministerium dagegen will den Fonds in der einen oder anderen Form schließen. Das METI identifizierte die Pandemie als den vermeintlich Schuldigen – dabei zeichnete sich die Pleite schon länger ab.
Die grundsätzliche Idee kam spät, war aber gut: Der Staat sollte mit eigenen Mitteln jene einheimische Popkultur fördern, für die schon eine Nachfrage im Ausland existierte. Daher zählte der „Cool Japan“-Fonds zu den frühen Strategien des damaligen Premierministers Shinzo Abe, die japanische Wirtschaftskraft zu stärken. Das Vorhaben gefiel dem konservativen Nationalisten auch, weil er sich Japan als eine Supermacht der Kultur vorstellte, die das Ausland auch ohne militärische und wirtschaftliche Macht intensiv beeinflussen konnte. Der Höhepunkt seiner Denkweise zeigte sich bei der Abschlussfeier der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro 2016: Damals verkleidete sich Abe als Super Mario, die bekannteste Spielfigur von Nintendo, und warf seine rote Kostümmütze mit der Aufschrift „Tokio“ symbolisch in die Menge, weil Japans Hauptstadt die nächsten Spiele ausrichtete.
Doch der Förderfonds kämpfte von Anfang an mit einem eingebauten Paradoxon: Denn was Beamte und Werbeleute in Japan als „cool“ bezeichnen und deswegen für förderungswürdig halten, muss im Ausland noch lange nicht als „cool“ empfunden und gekauft werden. Doch genau diesen Denkfehler hätten die Fondsmanager gemacht und daher auf jede Marktforschung in ihren Zielländern verzichtet, kritisiert nun der Soziologe Kyohei Furuya vom Reiwa Institute for Political and Social Studies. Der US-Amerikaner Benjamin Boas, ein offizieller Kulturbotschafter im Auftrag des Fonds, wundert sich in seinem soeben erschienenen Buch „From Cool Japan to Your Japan“, wieso die Fondsoffiziellen nie mit eingefleischten Japan-Fans im Ausland gesprochen hätten, um deren Bedürfnisse kennenzulernen und das Marketing entsprechend auszurichten.
Wirklich überraschen kann dieser Misserfolg jedoch nicht. Denn dass viele Bereiche der japanischen Popkultur im Ausland gut ankamen, nahmen Politik und Bürokratie und auch die Wirtschaft über Jahrzehnte gar nicht wahr. Lediglich die Videospielindustrie – von den Konsolenherstellern Sony und Nintendo bis zu einigen Spieleproduzenten wie Bandai Namco und Square Enix – unternahm große Anstrengungen für den Export. Dagegen konzentrierten sich die meisten Produzenten von Anime, Manga, Fernseh- und Spielfilmen ebenso wie das traditionelle Handwerk voll auf ihren Heimatmarkt. Nicht nur dem Fonds, sondern generell fehlte in Japan das notwendige Know-how, wie man die Produkte im Ausland erfolgreich vermarkten konnte.
Zu den 56 Förderprojekten gehörten zum Beispiel dicke Kapitalspritzen für die Gründung eines Vertriebs für Zeichentrickfilme (Anime Consortium Japan) und eines Satelliten-TV-Senders (WakuWaku Japan). Aber gegen Branchengiganten wie Netflix konnten sie sich nicht behaupten, der Fonds musste seine Beteiligungen mit hohem Verlust abstoßen.
Der frühere Japan-Chef von Sony Music Entertainment Naoki Kitagawa übernahm die Fondsführung, der Ex-Japan-Leiter von Permira Advisors Yuji Kato verantwortet seitdem die Entscheidungen. Das Duo bevorzugt Beteiligungen an ausländischen Unternehmen, die im Gegenzug mehr japanische Inhalte fördern sollen, zum Beispiel Tastemade, ein US-Produzent von Kurzvideos mit Kochanleitungen. Doch während der „Cool Japan“-Fonds vor sich hin werkelte, traten die koreanische Boyband BTS und K-Pop einen globalen Siegeszug an und chinesische Spiele-Apps für Smartphones lehrten die Platzhirsche aus Japan das Fürchten.