Das nächste große Ding
Wer wie Facebook an der Börse in der Billionen-Liga spielen will, ist gut beraten, Enttäuschungen im operativen Geschäft zu vermeiden und die Fantasie der Investoren wach zu halten. CEO Mark Zuckerberg hat das beizeiten erkannt und schon 2016 auf dem Mobile World Congress publikumswirksam „the next big thing“ – „das nächste große Ding“ – für Facebook und die gesamte Internetbranche angekündigt: das Eintauchen der Nutzer in virtuelle Realitäten (VR), das eine ganz andere, noch intensivere und personalisierte Nutzererfahrung auf sozialen Netzwerken möglich machen soll. Seither hat Facebook versucht, die Idee mit Leben zu füllen – mit einer eigenen VR-Brille, der eine Flut von VR-Apps folgten.
Bevor VR für das global führende soziale Netzwerk zum nächsten großen Ding gedeihen konnte, fielen dem Konzern allerdings nun Geschäftspraktiken auf die Füße, die das Publikum in anderer Weise als „dickes Ding“ betrachtet. Die Enthüllungen der Whistleblowerin Frances Haugen, die in den „Facebook-Papieren“ an die Öffentlichkeit gelangten, werfen ein äußerst schlechtes Licht auf den Umgang der Konzernführung mit dem Interessenkonflikt von Gewinnzielen einerseits sowie Sicherheit und Wohl der Gesellschaft andererseits. Facebook braucht nun das nächste große Ding umso dringender. Es gilt, den Investoren die rosa (VR-)Brille aufzusetzen, bevor womöglich eine tiefergehende Ernüchterung um sich greift, die sich bloß mit einem wohlklingenden neuen Firmennamen wie Metaverse nicht mehr in Aufbruchstimmung wandeln lässt.
Noch zeigt sich das Kerngeschäft mit Werbung bei der klassischen App-Familie Facebook, Messenger, Instagram und Whatsapp robust; das heißt unbeeindruckt von den neuen Privatsphäreregeln, die Apple für die Nutzer ihrer Geräte eingeführt hat und die das Zeug haben, das Geschäft mit Werbung im Internet spürbar zu verändern. Allerdings muss das nicht so bleiben. Der schon als „neue Facebook“ etikettierte Messenger-Dienst Snap hat die Folgen der neuen Apple-Regeln schon zu spüren bekommen, an der Börse sogar mit voller Wucht.
Facebook beeilt sich, ihre VR-Aktivitäten nun gesondert auszuweisen, um Investitionen und Ziele transparent zu machen. Für den Fall, dass die Zukunftsmusik bei den Investoren doch (noch) nicht den richtigen Ton trifft, behilft sich das Management als Erste-Hilfe-Maßnahme zunächst mit einem neuen Aktienrückkaufprogramm über schlanke 50 Mrd. Dollar. Dies und das damit verbundene Signal, dass der Konzern aus dem Vollen schöpft, dürfte die Billion an der Börse in Reichweite halten.