Brüssel

Das neue digitale Grundgesetz

In Brüssel treten die Gesetzgebungsprozesse für zahlreiche neue Digitalregeln aktuell in ihre heiße Phase. Die nächsten Monate werden entscheidend dafür sein, wie strikt in der EU Kryptowährungen oder auch die großen Online-Plattformen reguliert werden.

Das neue digitale Grundgesetz

Seit rund einem Jahr ist die EU-Kommission­ dabei, Vorschläge für einen neuen Gesetzesrahmen für das digitale Zeitalter zu unterbreiten. Im vergangenen September kam zunächst das Digital-Finance-Paket, in dem es um die Regulierung von Kryptowährungen geht, um die digitale Betriebsstabilität (Digital Operational Resilience Act, Dora) oder auch um eine neue Zahlungsdienstestrategie. Im De­zember folgte der große umfassende neue Regulierungsrahmen für alle digitalen Dienste wie soziale Me­dien, Online-Marktplätze und an­dere Plattformen mit einem Gesetz über digitale Dienste (DSA) und einem Gesetz über digitale Märkte (DMA). In diesem Jahr gab es dann unter anderem im April noch Vorschläge, welche Grenzen der künstlichen Intelligenz gesetzt werden sollen. Und Ende des Jahres folgen noch die künftigen Vorgaben für politische Online-Werbung, die vor allem die immer wichtiger werdende Gruppe der Influencer im Netz betreffen werden. Aus all diesen Vorschlägen zusammen soll dann einmal so etwas wie ein neues Grundgesetz für das digitale Leben in der EU werden.

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Alle vorliegenden Gesetzesvorschläge befinden sich aktuell noch in der Abstimmung im Rat der Mitgliedstaaten und im Europaparlament. Wie schwierig die Beratungen sind und noch werden, hat sich in dieser Woche einmal mehr im Parlament gezeigt. An einer schon lange erwarteten Anhörung mit der für Digitales und Wettbewerb zuständigen Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager zu den DSA- und DMA-Dossiers nahmen Vertreter von gleich fünf verschiedenen Ausschüssen teil – alle mit unterschiedlichen Agenden, Interessen und Fragestellungen. Die Berichte der zuständigen Abgeordneten liegen bereits vor, aber auch die zahlreichen Änderungsanträge der Kollegen, die es nun einzuarbeiten und abzustimmen gilt. Das wird nicht einfach: Der baden-württembergische CDU-Abgeordnete Andreas Schwab beispielsweise, der für den Digital Markets Act zuständig ist, hat über 1200 Änderungswünsche aus dem Parlament erhalten. Seinem Parteikollegen Stefan Berger aus Nordrhein-Westfalen, der den Regelungsvorschlag für Kryptoassets (Markets in Crypto-Assets, MiCA) verantwortet, sind ähnlich viele Änderungsanträge ins Postfach gegangen. Mit der erhofften Abstimmung innerhalb des EU-Parlaments­ noch im vierten Quartal könnte es daher eng werden. EU-Kommissarin Vestager sagte in der Anhörung dennoch, sie hoffe darauf, dass eine Einigung zu den DSA- und DSM-Vorlagen auch mit den Mitgliedstaaten noch bis Frühjahr 2022 gelingen werde, damit beide Gesetzesvorlagen dann noch zum 1. Januar 2023 in Kraft treten können.

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Es geht aber noch um Grundsätzliches, wie etwa den Anwendungsbereich des künftigen EU-Gesetzes über digitale Märkte. Soll dieser stärker eingegrenzt werden, so dass nur die großen US-Technologiekonzerne wie Google, Apple, Facebook und Amazon (GAFA) betroffen wären plus eventuell noch der chinesische Alibaba-Konzern? Da sind sich beispielsweise auch die Parlamentsausschüsse für Industrie (ITRE) und für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) nicht einig. Der ITRE möchte eher einen breiten Ansatz, den auch die EU-Kommission schon verfolgt hat. Vor allem die Grünen unter dem Schattenberichterstatter Rasmus Andresen setzen sich dafür ein. Der Abgeordnete aus Schleswig-Holstein plädiert zudem dringend dafür, die bislang im Raum stehenden Verfahrensfristen für die Unternehmen und die EU-Kommission zu verkürzen und das notwendige Personal zur Umsetzung deutlich aufzustocken, damit die neuen Digitalregeln nicht zum „Papiertiger“ werden. Die EU-Kommission soll hierfür nicht weniger als 300 Mitarbeiter einstellen dürfen.

Margrethe Vestager sind solche Forderungen natürlich nur recht. „Wir müssen durchsetzungsfähige Regeln bekommen“, stellte die Dänin in dieser Woche in der Anhörung vor dem Sonderausschuss des EU-Parlaments klar und sprach von einem „Lackmustest“. Die nächsten Monate werden nun im Detail zeigen, was von dem digitalen Grundgesetz der EU zu erwarten ist.