Dauerstreit um schrumpfende Flugzeugsitze
Die Größe der Sitze und der weiter schrumpfende Abstand zwischen den Sitzreihen in Linienmaschinen zählen schon seit langer Zeit zu den häufigsten Beschwerden von US-Flugpassagieren. Nun erwägt die zivile Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration (FAA), den Druck auf die Airlines zu erhöhen, beim Design der Flugzeugsitze eine Mindestgröße einzuhalten. Während das Tempo, mit dem eine Maschine im Notfall evakuiert werden kann, bisher das einzige Kriterium für die Festlegung der Sitzgröße war, fordern Experten, dass nun auch die gesundheitlichen Folgen für Fluggäste berücksichtigt werden, wenn sich diese über mehrere Stunden in enge Sitze quetschen müssen.
Schon seit Jahrzehnten gilt die Faustregel: Wenn die Sitze in der Economy Class breit genug sind, um in einem Notfall innerhalb von 90 Sekunden die Evakuierung der Maschine zu ermöglichen, dann hat die FAA keinen Anlass, den Fluggesellschaften Mindestgrößen aufzuzwingen. Gegen diese Argumentation haben aber Gesundheitsexperten und Verbraucherorganisationen mehrere Einwände. Zum einen weisen sie darauf hin, dass die zahlenden Gäste immer schwerer, breiter und länger werden.
Nach Angaben der Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) hat nämlich vor 60 Jahren das Durchschnittsgewicht eines amerikanischen Mannes bei etwas über 75 Kilo gelegen. Heute aber bringen Männer im Schnitt knapp 90 Kilo auf die Waage, vorwiegend als Folge der Ernährung und der Lebensgewohnheiten, insbesondere des Verzichts auf körperliche Tätigkeiten. Laut CDC sind mehr als 40% aller Erwachsenen in den USA als fettleibig einzustufen.
In demselben Zeitraum, und darin besteht die Relevanz für die Airlines, ist aber die Breite von Sitzen in der Touristenklasse weiter geschrumpft und liegt heute bei etwa 43 Zentimetern. Dabei haben Studien, die während des Schlafens im Flieger Gehirnaktivität sowie die Bewegung von Augen und Muskeln messen, ergeben, dass bei längeren Flügen selbst zweieinhalb zusätzliche Zentimeter die Schlafqualität um mehr als 50 % erhöhen. Die Fluggesellschaften können sich, selbst wenn es so nicht ausgesprochen wird, zwar auf den Standpunkt stellen, dass das Übergewicht der Passagiere nicht ihr Problem ist. Sie behaupten lediglich, dass die Sicherheit der Fluggäste das wichtigste Kriterium bleibe und die 90-Sekunden-Regel zur Evakuierung weiterhin Gültigkeit behalten solle.
Als aber der Kongress vor vier Jahren ein neues Budget für die FAA verabschiedete, wurde die Behörde mit der Bewilligung der Mittel gleichzeitig verpflichtet, die Einführung von Mindestgrößen für die Flugzeugsitze wenigstens zu prüfen.
Zwar hat die FAA, die sich nur ungern mit den Carriern anlegt, lange Zeit gezaudert. Im Sommer begann sie aber, von Fluggästen Beschwerden, Empfehlungen und Verbesserungsvorschläge einzusammeln. Zwischenzeitlich sind bei der Flugaufsichtsbehörde mehr als 14000 Briefe und E-Mails eingegangen. Der immer wiederkehrende Tenor der Schreiben: In ihrem Bestreben, mit kleineren Sitzen mehr Tickets zu verkaufen und ihre Gewinne zu steigern, sollten die Fluggesellschaften nicht den Komfort ihrer zahlenden Gäste aus dem Auge verlieren. Positive Kommentare, etwa dass die Sitzgröße und die Abstände zwischen einzelnen Reihen bereits adäquat seien, gingen bei der FAA so gut wie keine ein.
Die Öffentlichkeit hat noch bis Ende Oktober Zeit, um Stellungnahmen abzugeben. Einstweilen hat aber die FAA schon durchblicken lassen, dass sie dazu neigt, auf die Einführung von Mindestgrößen zu verzichten. Kürzlich wurden nämlich Versuche mit freiwilligen Helfern durchgeführt, die Evakuierungen in Notfällen simulierten. Das Ergebnis: Selbst wenn die Sitze noch schmaler werden, stellt dies keine Gefahr für die Sicherheit der Passagiere dar. „Wir brauchen uns nichts vorzumachen, der Trend zur weiteren Verkleinerung der Sitze zulasten des Komforts und der Sicherheit wird andauern“, ist Paul Hudson, Präsident der Verbraucherorganisation Flyersrights.org, überzeugt.