Der FC Barcelona mauert gegen Schmiergeldvorwürfe
Das Spitzenspiel im spanischen Fußball, der „clásico“ zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona, verspricht in der Regel ein Spektakel von zwei offensiv ausgerichteten Teams mit einer Ballkontrolle, die in der Welt ihresgleichen sucht. Daher war das letzte Aufeinandertreffen der beiden großen Rivalen, das Hinspiel im Halbfinale des spanischen Pokals im Madrider Bernabéu-Stadion Anfang März, eine ernüchternde Überraschung. Das traditionell ballverliebte Barça überließ das Spiel komplett den Königlichen und beschränkte sich darauf, den eigenen Strafraum abzuriegeln. Der amtierende Champions-League-Sieger aus Madrid konnte in der Folge nicht einmal auf das vom Rheinländer Marc-André ter Stegen gehütete Tor schießen. Dafür legte sich Real selbst ein Ei ins Netz, und den Gästen aus Barcelona reichte das Eigentor zum Minimalsieg.
Eine so wasserdichte Verteidigung, wie sie Barça in dieser Saison auszeichnet, könnte der große Klub aus Katalonien bald auch vor Gericht benötigen, wenn es um den vermeintlichen Bestechungsversuch von Schiedsrichtern geht. Letzten Freitag erhob die Staatsanwaltschaft in Barcelona Anzeige gegen den FC Barcelona, zwei seiner früheren Präsidenten und weitere Funktionäre. In den spanischen Medien sickern beinahe täglich Details aus der jahrelangen geschäftlichen Beziehung zwischen dem Verein und dem früheren Vizepräsidenten des spanischen Schiedsrichterausschusses, José María Enríquez Negreira, durch. Der Funktionär kassierte zwischen 2001 und 2018 insgesamt 7,3 Mill. Euro vom FC Barcelona, offiziell für Berichte über die Verhaltensweisen von Schiedsrichtern, die bei den Spielen von Barça zum Einsatz kamen. Diese Studien dienten rein der Information, versichern die Klubbosse. Wofür soll dieses Wissen gut sein? Das will die Staatsanwaltschaft von den früheren Trainern von Barça wissen und beantragte am Gericht in Barcelona daher die Zeugenaussagen von Luis Enrique und Ernesto Valverde, die einst dort coachten.
Was den Verdacht auf schmutzige Abmachungen hinter den Kulissen erhärtet, ist die Form der Bezahlung im sogenannten „Fall Negreira“. Barcelona soll nach Erkenntnissen des Finanzamtes die Millionen über sieben verschiedene Firmen dem Schiedsrichter-Funktionär zukommen lassen haben, einige davon waren auf dessen Sohn eingetragen. Am Dienstag sprang Barça-Ikone Gerard Piqué, der im November seine Karriere beim Klub seines Lebens beendet hatte, dem Verein zur Seite. Er lege seine Hand dafür ins Feuer, dass Barcelona nie Schiedsrichter bezahlt habe, sagte der Ex-Spieler im katalanischen Radio und lieferte gleich eine Erklärung dafür, warum die Vorwürfe der Bestechung absurd seien. „Wenn du einen Schiedsrichter kaufen willst, dann gibst du ihm einfach einen Umschlag, aber du gehst nicht zum Vizepräsidenten des Schiedsrichterausschusses. Das macht keinen Sinn“, erklärte Piqué, der seit einigen Jahren erfolgreich Geschäfte im Sport macht und unter anderem Eigentümer des FC Andorra in der zweiten spanischen Liga ist. Doch der ehemalige Weltmeister scheint ein Detail der Ermittlungen übersehen zu haben. Die Beamten des spanischen Finanzamtes fragen sich nämlich, wofür Enríquez Negreira zwischen 2016 und 2019 ganze 550 000 Euro bar von seinem Privatkonto und dem einer der betroffenen Gesellschaften abhob.
Am Dienstag teilte die spanische Staatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung mit, dass man den Fall von den Kollegen in Barcelona übernehme, wegen der „besonderen Bedeutung“. Das macht die Eröffnung eines Verfahrens vor Gericht wahrscheinlicher. Sollte es zum Prozess kommen, will Real Madrid als vermeintlich Geschädigter selbst als Kläger auftreten. Das dürfte das traditionelle arg angespannte Verhältnis zwischen den beiden Rivalen aufheizen. Joan Laporta, der heutige Präsident von Barça, beklagte eine Schmierkampagne gegen den Klub, ohne jedoch mit dem Finger auf jemanden zu zeigen. Der erste Stimmungstest steht am Sonntag an: Dann empfängt der FC Barcelona Real Madrid im heimischen Nou Camp zum Spitzenspiel von La Liga. Auf dem Schiedsrichter des „clásico“ dürfte besonders großes Augenmerk liegen.