Altersvorsorge

Der letzte Kampf um die Riester-Rente

Die Formulierung im Koalitionsvertrag hatte aus Sicht der Anbieter und Sparer durchaus verheißungsvoll geklungen. Es war vom Ziel „einer zügigen Entwicklung eines attraktiven standardisierten Riester-Produkts“ die Rede. Doch das war im März 2018,...

Der letzte Kampf um die Riester-Rente

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Die Formulierung im Koalitionsvertrag hatte aus Sicht der Anbieter und Sparer durchaus verheißungsvoll geklungen. Es war vom Ziel „einer zügigen Entwicklung eines attraktiven standardisierten Riester-Produkts“ die Rede. Doch das war im März 2018, und seitdem ist in der Sache praktisch nichts passiert. Riester-Reform? Fehlanzeige. Nun droht die Zeit davonzulaufen, wenn in dieser Legislaturperiode noch etwas geändert werden soll. Den Anbietern würde eine Zahl in einem Satz des Gesetzes reichen. Die 100-prozentige Garantie muss weg, damit die Angebote weiter funktionieren.

Es ist ein verzweifelter Kampf, denn die meisten Beteiligten haben die Riester-Reform bis zur Wahl längst abgeschrieben. Es sind ungefähr noch vier Wochen, in denen es theoretisch möglich wäre, dass das Finanzministerium tätig wird. Frank Breiting, Leiter Altersvorsorge der DWS, verweist in dem Zusammenhang darauf, dass es am Gestaltungswillen auf der Arbeitsebene nicht gemangelt habe. Alle am Tisch, inklusive der Verbraucherschützer, seien sich einig gewesen, dass eine 100-prozentige Garantie keinen Sinn mehr ergebe.

Angesichts der Null- und Niedrigzinsen, die voraussichtlich auf lange Jahre festgeschrieben sind, weisen die Unternehmen darauf hin, dass die vom Gesetz geforderte 100-prozentige Garantie künftig kaum noch darstellbar sei und abgesenkt werden müsse. Fondsanbieter wie Union Investment und DWS halten es für äußerst schwierig, ab 2022 ein attraktives Angebot zu bieten. „Wir beobachten das politische Geschehen in Berlin, solange zumindest eine Minimalreform möglich erscheint“, heißt es bei der DWS. Eine Minireform von Riester könnte nur noch aus einer Lockerung der Garantiepflicht bestehen und wäre gesetzestechnisch mit minimalem Aufwand umsetzbar. „In Abhängigkeit davon, ob die Regierung hier agiert oder nicht agiert, werden wir unsere Rolle im Riester-Markt überdenken und eine Entscheidung treffen.“

Angebot wird gekürzt

Mit Union Investment hat jetzt ein Fondsanbieter Konsequenzen aus der schwierigen Lage gezogen und versucht die Zwickmühle zwischen Niedrigzinsen und Garantiepflicht mit der Kürzung des Angebots zu umgehen. Die Fondsgesellschaft führt zum 1. Juli eine neue Mindestlaufzeit von 20 Jahren bei Riester-Verträgen ein. Verträge mit kürzerer Laufzeit würden sich angesichts der Garantien und der Niedrigzinsen nicht mehr rechnen. Damit würden Menschen ab Mitte 40 vom Angebot der Riester-Rente ausgeschlossen, meint Björn Deyer, Leiter Produktmanagement, auch in Richtung der Politik. Union ist mit 1,8 Millionen Verträgen Marktführer in seinem Bereich und verwaltet 23,4 Mrd. Euro in Riester-Produkten. Das Haus wird nicht müde darauf zu verweisen, dass sein Angebot für die Kunden mit einer durchschnittlichen Rendite von 7,2% seit Beginn von Riester durchaus attraktiv sei, trotz der Einschränkungen bei den Anlagemöglichkeiten.

Auf einer Veranstaltung des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) kann sich die Fondsbranche die Unterstützung von Fachexperten sichern. In der Online-Runde wurde ein Gutachten vorgestellt, das auf den Zusammenhang zwischen Garantien und Inflation hinweist. Ein Ergebnis der Studie des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften ist, dass bei Realwert-Betrachtung eine Garantie besonders nachteilig ist. Als ein Resultat wird präsentiert, dass in Zeiten niedriger Zinsen Produkte mit abgesenkten Garantien auch für Kunden mit Bedarf an Sicherheit geeignet seien. „Ein Absenken dieses sehr hohen Garantieerfordernisses erhöht nicht nur das Renditepotenzial der Produkte, sondern kann in der relevanten Dimension Kaufkraft sogar die Sicherheit erhöhen“, so Studienautor Jochen Ruß vom Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften.

Als Schwierigkeit kommt für die Branche hinzu, dass ab dem 1. Januar 2022 der sogenannte Höchstrechnungszins von 0,9 auf 0,25% reduziert wird. Der Höchstrechnungszins, der auch Garantiezins genannt wird, ist für die Kalkulation der garantierten Riester-Produkte relevant. Die Experten erwarten, dass sich weitere Anbieter aus dem Riester-Geschäft zurückziehen könnten, wenn nicht eine abgesenkte Garantie von 70 bis 80% eingeführt würde. Auch die Versicherungsbranche weist darauf hin, dass sich im neuen Jahr viele Anbieter von Riester-Produkten vom Markt zurückziehen dürften. Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) hält es ebenfalls für problematisch, eine Beitragsgarantie von 100% unter dem neuen Höchstrechnungszins anzubieten. Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV, befürchtet, dass es zu einer „De-facto-Beerdigung der Riester-Rente“ kommen könnte.

Jochen Ruß stößt in dasselbe Horn. Der niedrigere Garantiezins sei eine massive Schwächung der Riester-Rente. So werde ein Segment der Altersvorsorge mehr oder weniger abgeschafft. Ruß kann sich zwar vorstellen, dass es den ein oder anderen Anbieter gibt, der 2022 noch ein Garantieprodukt hat – aber nur wenn Kosten verlagert werden oder der Anbieter draufzahlt.