Des einen Freud, des andern Leid
Ferienzeit, das bedeutet für viele Einwohner von Paris und anderen bei Touristen beliebten Städten in Frankreich auch zusätzliche Einnahmen. Normalerweise. Vor Corona haben etliche Franzosen die Sommerferien genutzt, um ihre Wohnungen oder Häuser für viel Geld an Touristen zu vermieten. Seit dem Erfolg von Airbnb haben einige von ihnen sogar extra in kleine Wohnungen investiert, um sie auf der Plattform möglichst gewinnbringend anzubieten.
Doch seit Ausbruch der Pandemie rechnet sich das Modell für viele Immobilienbesitzer nicht mehr, da Städte als Reiseziel nicht mehr so beliebt wie früher sind und Reisebeschränkungen zahlungskräftige Gäste von anderen Kontinenten abhalten, nach Frankreich zu reisen. Wer für die Investition in eine für die Vermietung an Touristen bestimmte Immobilie einen Kredit aufgenommen hat, muss sich deshalb dringend etwas einfallen lassen. Während einige ihr Objekt wieder verkaufen, bieten viele andere es als möblierte Wohnung auf dem klassischen Mietmarkt an.
In Paris ist deshalb das Angebot möblierter Wohnungen nach Angaben des stellvertretenden Bürgermeisters Ian Brossat um 365% gestiegen. Inzwischen herrscht fast schon ein Überangebot, das die Mietpreise um 4,5% hat sinken lassen. In Bordeaux und anderen französischen Großstädten sieht die Tendenz ähnlich aus. Neue, restriktive Maßnahmen wie stärkere Kontrollen dürften den Trend noch verstärken.
In Paris war die Zahl der auf Internetplattformen angebotenen Ferienwohnungen in den letzten Jahren geradezu explodiert. Laut einer vom Institut Paris Région veröffentlichten Studie ist die Zahl von 20000 im Jahr 2011 auf 88000 im Vorkrisenjahr 2019 gestiegen, im Großraum Paris auf 120000. Das entspricht rund 6% des gesamten Mietmarktes. Vor allem in den zentralen ersten elf Arrondissements war das Phänomen besonders stark. Bei Airbnb ist Paris die Stadt mit dem größten Angebot an Unterkünften.
Während Städte wie Paris, Bordeaux, Lille, Nizza, Marseille, Straßburg und Toulouse gegen den Wildwuchs vorgehen, indem sie private Anbieter zur Angabe einer Registriernummer verpflichten, hat die Vereinigung der Landbürgermeister ein Abkommen mit Airbnb geschlossen. Die Plattform verspricht, bis Ende des Jahres 15000 weitere Unterkünfte auf dem französischen Land anzubieten und die Gastgeber mit speziellen Tutorials zu unterstützen. Die Landbürgermeister hoffen so, ihre Kommunen wiederbeleben zu können.
Zumindest bei Franzosen haben die Pandemie und die verschiedenen Ausgangssperren die Sehnsucht nach dem Lande geweckt. Nach Angaben von Airbnb machen Buchungen für ländliche Gegenden in diesem Sommer 45% der Reservierungen aus, während es im Vorkrisenjahr 2019 nur 24% waren. Normalerweise seien die Ferienhäuser seiner Gemeinde nicht so gefragt, berichtet etwa Fabrice Dallongeville, der Bürgermeister des rund 66 Kilometer nordöstlich von Paris gelegenen Dorfes Auger-Saint-Vincent. Jetzt seien sie bis Ende des Sommers alle ausgebucht.
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Ferienzeit, das bedeutet in Paris oft auch Drehzeit, da Produktionsgesellschaften gerne die sommerlich leeren Straßen für Aufnahmen nutzen. Netflix dreht gerade eine Miniserie über den Brand, der am 15. April 2019 Notre-Dame schwer beschädigt hat. Der für „Im Namen der Rose“ bekannte Regisseur Jean-Jacques Annaud bringt im April 2022 ebenfalls einen Film über das Feuerdrama der Kathedrale heraus. Die Ende Mai begonnenen Dreharbeiten für die zweite Saison von „Emily in Paris“ wiederum sollten Ende Juli abgeschlossen werden – sehr zur Freude der Anwohner des Estrapade-Platzes im 5. Arrondissement. Denn sie sind laut einem Bericht des Magazins „M“ von Le Monde zunehmend genervt von der Produktion. Die Parkplätze seien durch die Produktionsgesellschaft besetzt gewesen und man habe sich nicht mehr frei bewegen können, berichten sie. Dagegen freuen sich die Besitzer der dort gelegenen Bäckerei und die Betreiber des Restaurants „Terra Nova“, die als Kulisse für die Serie dienen, über die kostenlose Werbung, die ihnen die erfolgreiche Netflix-Serie beschert hat.