LeitartikelDigital Markets Act

Die EU geht mit einem Fischernetz auf Fliegenjagd

Die EU versucht mit dem Digital Markets Act die Macht der großen Plattformanbieter zu begrenzen. Eine aussichtslose Mission.

Die EU geht mit einem Fischernetz auf Fliegenjagd

Digital Markets Act

Mit Fischernetz auf Fliegenjagd

Von Sebastian Schmid

Die EU versucht mit dem Digital Markets Act die Macht der großen Plattformanbieter zu begrenzen. Eine aussichtslose Mission.

Was haben Alphabet, Apple und Microsoft gemeinsam? Vieles – von der Billionenbewertung über die globale Dominanz im Kerngeschäft bis hin zur Tatsache, dass alle drei US-Konzerne von den EU-Kartellbehörden ins Visier genommen werden. Die Feststellung aus Brüssel vom Dienstag, Microsoft nutze die marktbeherrschende Stellung des Bürosoftwarepakets „Office“ aus, um dem Kollaborations- und Kommunikationsdienst „Teams“ Vorteile im Wettbewerb zu verschaffen, ist nur ein weiteres Beispiel. Mit dem „Digital Markets Act“ (DMA) hat die Kommission neben dem Kartellrecht eine neue Waffe im Kampf gegen die amerikanischen Tech-Schwergewichte in die Hand bekommen.

Der DMA, der dazu dienen soll, die Torwächter der digitalen Märkte einzufangen, wird bereits weidlich genutzt. Als erstes wurde Apple mit dem App Store ins Visier genommen. Der Vorwurf lautet, dass der Konzern aus Cupertino Sicherheitsbedenken nur vorschiebt, um alternative Wege, Apps auf das iPhone zu laden oder zu bezahlen, auszubremsen. Auch Alphabet sieht sich mit dem Google Play Store ähnlichen Vorwürfen ausgesetzt. Der Facebook-Mutter Meta wiederum wird vorgeworfen, dass das Soziale Netzwerk persönliche Daten von Nutzern in unangemessen umfangreicher Weise für personalisierte Werbeausspielung nutzt.

Zuweilen funktioniert der Versuch aus Brüssel, die großen Tech-Konzerne zu Zugeständnissen zu bewegen. Der gerade frisch in Deutschland eingeführte Service „Tap-to-Pay“, der es kleineren Händlern ermöglicht, Zahlungen ohne zwischengeschaltetes Kassensystem direkt vom Kunden-iPhone oder einer NFC-ausgerüsteten Karte mit dem eigenen iPhone anzunehmen, ist so ein Fall. Erlaubt wurde der Dienst erst, nachdem die Technologie rivalisierenden Anbietern geöffnet wurde. Doch wird das die Marktdynamik ändern? In den USA gibt es Tap-to-Pay seit Jahren. Auch hierzulande hat die längere Auseinandersetzung vor allem dabei geholfen, den Marktanteil von Apple Pay vor der Einführung des neuen Angebots so weit auszubauen, dass der Impact nun noch größer sein dürfte. „Apple Cash“, ein Service, mit dem Nutzer sich anonym von iPhone zu iPhone Geld schicken können, ist derweil aufgrund regulatorischer Hürden weiterhin nicht in Europa verfügbar – vorerst.

Ein ähnliches Wartespiel zeichnet sich beim Thema generative Künstliche Intelligenz ab. Apple war am Freitag die letzte der drei Tech-Größen, die einen Start des eigenen KI-gestärkten digitalen Assistenten in Europa auf die lange Bank geschoben hat. Microsofts Copilot und Googles Gemini sind auf dem alten Kontinent nur in der abgespeckten Variante verfügbar. Als Begründung muss jeweils der unberechenbare DMA herhalten.

Doch wird so wirklich der Aufbau von Marktmacht verhindert und Wettbewerb gestärkt? Hilft es wirklich dabei, die Dominanz der Google-Suche zu brechen, wenn die Anwender in regelmäßigen Abständen gezwungen werden, zwischen einer Vielzahl an Suchmaschinen auszuwählen, oder ist es nicht eher die technologische Disruption durch Dienste wie ChatGPT, die Google fürchten muss? Wen hat der Cookie-Consent jemals davor geschützt, sorglos mit den eigenen Daten umzugehen? Auch die Frage, ob iPhone-Nutzer lieber den App Store für die Installation neuer Dienste wählen oder eine Alternative, wird am Ende keine Brüsseler Regulierung bestimmen, sondern – so ehrlich sollte man sein – die Bequemlichkeit der Anwender.

Das Verhalten der Verbraucher, das letztlich über den Markterfolg von Technologieanwendungen entscheidet, mit einem wie auch immer gearteten Regulierungsrahmen zu beeinflussen, gleicht dem Versuch, mit einem Fischernetz auf Fliegenfang zu gehen. Die Bewegungsfreiheit der dicken Tech-Fische wird dabei allenfalls lokal eingeschränkt. Im weniger restriktiven Heimatmarkt USA stärken sie ihre Angebote derweil munter weiter... Weil dort auch dank besserer Planbarkeit mehr Investorengeld fließt. Der technologische Abstand zwischen der EU und den USA droht so immer weiter zu wachsen. Ein Umsteuern tut dringend Not. Die Abschirmtaktik ist gescheitert.

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