Die Gefahren der Big Techs für die Finanzmärkte
Von Andreas Heitker, Brüssel
Die Warnung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) war deutlich: Anfang August hat die Zentralbank der Zentralbanken in einem Positionspapier den Einstieg der großen Digitalkonzerne in immer mehr Bereiche der Finanzdienstleistungen analysiert und die Regulierer und Aufsichtsbehörden angesichts der Probleme in Bezug auf Konzentration von Marktmacht und Data Governance zum Handeln aufgefordert. Es müsse eine systematischere Überwachung und ein systematischeres Verständnis der Big-Tech-Geschäftsmodelle geben, hieß es. Zudem würden die aktuellen Regeln zu spezifischen Finanzstabilitätsrisiken, sprich Kredit-, Liquiditäts- oder auch Marktrisiken, den neuen Herausforderungen nicht mehr gerecht. Die traditionellen Abgrenzungen zwischen den Finanzaufsichts- und den Wettbewerbs- und Datenschutzbehörden verschwömmen ohnehin immer mehr.
Was die BIZ so umtreibt, ist, dass die Big Techs sowohl immer mehr eigene Angebote im Retail-Bankenmarkt machen als auch Dienstleistungen für Banken anbieten und Kooperationen mit ihnen eingehen. Google, Apple, Facebook und Amazon – alle haben mittlerweile eigene Bezahlsysteme aufgebaut. In Deutschland ist Amazon Pay schon genauso beliebt wie das von den Banken und Sparkassen angebotene Giropay. Amazon vergibt Kredite an Händler. Citi und Google bieten Privatkunden in Kooperation ein Bankkonto an. Im Kreditkarten-Geschäft kooperieren Apple und Goldman Sachs oder auch Amazon und Visa. Hinzu kommen die Cloud-Angebote, die zunehmend auch Großbanken nutzen und die zu einem großen Teil ebenfalls von Amazon, Google und Microsoft kommen.
Der einzige Bereich, der bisher von den sogenannten GAFAs (Google, Apple, Facebook, Amazon) nicht attackiert werde, sei der Bereich Assetmanagement, stellt auch der Bundesverband deutscher Banken (BdB) fest, für den weitere Markteinstiege der Big Techs allerdings nur eine Frage der Zeit sind.
Unterm Radar der Aufsicht
Die BIZ sorgt, dass die Digitalkonzerne in ihren neuen Märkten die Nutzerdaten aus ihren bestehenden Geschäften im Onlinehandel oder in den sozialen Medien schnell skalieren und Netzwerkeffekte nutzen können. So können sie sehr schnell eine substanzielle Präsenz im Finanzdienstleistungssektor aufbauen und einen „systemischen Fußabdruck“ im Finanzsystem hinterlassen. Dies könnte dann beispielsweise zu einer Fragmentierung von Zahlungsinfrastrukturen führen, hieß es.
Für Finanzmarktexperten wie Sebastian Mack, Policy Fellow for European Financial Markets am Jacques Delors Centre/Hertie School in Berlin, sollte auch Brüssel die Warnung des BIZ ernst nehmen. Auch in der EU flögen riesige Mischkonzerne wie Amazon aktuell noch unter dem Radar der Finanzaufsicht. „Die europäischen Finanzmarktregeln haben bei Big Tech eine offene Flanke“, sagt er. „Auch in Europa ist die Finanzmarktregulierung nicht fit für das 21. Jahrhundert.“ Mack warnt, dass die aktuelle Entwicklung die ohnehin geringe Ertragskraft europäischer Banken weiter schwächt und langfristig manch etabliertes Institut zu Fall bringen könnte. Auch in den Kooperationen zwischen Banken und Digitalkonzernen sieht er Gefahren: Sollten die Technologieriesen in ihrem Kerngeschäft in finanzielle Schwierigkeiten geraten – zum Beispiel wegen Reputationsschäden durch Datenlecks oder infolge einer Aufspaltung durch Kartellbehörden –, könne das auch Auswirkungen auf das Geschäft mit den kooperierenden Banken haben.
Die EU-Kommission hat 2020 bereits zwei Gesetzespakete vorgelegt, die Europas Digitalregeln entscheidend verbessern dürften: das Digital Finance Package, zu dem auch die Kryptoregulierung gehört, sowie den Digital Markets und den Digital Services Act, die insbesondere den großen digitalen „Gatekeepern“ Grenzen setzen sollen. Alle Dossiers befinden sich noch im Gesetzgebungsprozess, der nun nach der Sommerpause an Fahrt aufnehmen dürfte. Bei allen Vorschlägen geht es im Wesentlichen aber um Wettbewerbspolitik und Verbraucherschutz und nur wenig um Finanzstabilität.
Gesetzgebung läuft
Nach Ansicht des Finanzmarktexperten Mack müssten vor allem die EU-Regeln zur Gruppenaufsicht generalüberholt werden. Die heutigen sektoralen Vorschriften für Zahlungsdienstleister würden den vielfältigen Risiken eines großen Tech-Konzerns nicht gerecht, sagt er. Stichworte: Eigenkapital, Liquidität, Risikomanagement. Zudem würden heute nicht die Risiken des ganzen Konzerns in den Blick genommen. Nötig sei daher eine Reform der EU-Richtlinie für Finanzkonglomerate.
Beim BdB kann man solche Forderungen nur unterstützen. Denn, so muss der Verband einräumen, die unterschiedliche Regulierungsgrundlage hat schon dazu geführt, dass die Big-Tech-Konzerne die Kostenführerschaft in mengenstarken Marktsegmenten der Finanzwirtschaft übernehmen konnten.