Die Grenzen der Präzision
Credit-Suisse-Debakel
Die Grenzen
der Präzision
Von Daniel Zulauf
Statt über smarte Regulierungstechniken zu sprechen, muss die Schweiz deren Zweck und höheren Sinn in den Fokus nehmen.
Die Eidgenossen mögen Präzisionsarbeit und sind selbst sehr gut darin. Doch was in der Herstellung von Uhren und Instrumenten ein Vorteil ist, kann offenbar auch zum Nachteil werden, wenn es darum geht, komplexe Probleme langfristig im Auge zu behalten und einmal gefundene Lösungen nicht in Stein zu meißeln.
Die These fußt auf den Erkenntnissen des langjährigen Credit-Suisse-Debakels. Spätestens seit der Finanzkrise vor mehr als 15 Jahren ist allen Schweizerinnen und Schweizern klar: Internationale Banken, deren Bilanzsummen das Bruttoinlandsprodukt des Landes um ein Mehrfaches übersteigen, stellen ein volkswirtschaftliches Großrisiko dar, das es mit geeigneten Maßnahmen zu begrenzen gilt.
Too-big-to-fail-Gesetz
Die Rettung der UBS im Herbst 2008 veränderte die Sicht auf den Finanzplatz. Es war eine gemeinsame Operation des Finanzministeriums und der Notenbank, die einen Konkurs der Bank mit schlimmen Folgen für das Land und das weltweite Finanzsystem verhinderte. Deren rasche und präzise Intervention weckte Assoziationen zu einem chirurgischen Eingriff. Die Schweiz, in der die Mühlen der Politik normalerweise langsam mahlen, reagierte rasch und schuf als erstes Land ein Too-big-to-fail-Gesetz. Doch so schnell und exakt, wie die UBS gerettet wurde, geriet auch in Vergessenheit, weshalb es dieses Gesetz braucht und warum es regelmäßig auf seine Wirksamkeit überprüft werden muss. So konnte die Credit Suisse, die vergleichsweise glimpflich und ohne Staatshilfe durch die Finanzkrise gekommen war, ihren politischen Einfluss ausspielen und die Anpassung des eigenen Geschäftsmodells an die verschärften Kapitalvorgaben des TBTF-Gesetzes verhindern.
Die Gefahr, dass sich im Nachgang zur Credit-Suisse-Krise Ähnliches abspielt, ist virulent. Die Schweiz hat zwar lange zugesehen, wie sich die Bank selbst immer weiter ins Abseits manövrierte. Doch mit dem nahenden Kollaps reagierten die Behörden erneut schnell und präzise. Versäumnisse aus der Vergangenheit könnten abermals rasch in Vergessenheit geraten.
Dabei gäbe es ein wirksames Instrument dagegen: Die Schweiz muss lernen, weniger über die technische Raffinesse von Regulierungen und mehr über die dahinterstehenden Ziele zu sprechen: Was für einen Finanzplatz will das Land? Was soll er leisten, was darf er kosten? Wer diese Fragen ehrlich beantwortet, gelangt zu einem besseren Ergebnis als jeder smarte Regulierungstechniker.